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Freiheit der Advokatur zuwider sei und wurde auch die
von Napoleon eingeführte Beschränkung jener unter diesem
Gesichtspunkte bekämpft, bis die Ordonnanz vom 27. Aug. 1830
die Plaidierfreiheit wieder herstellte®,. Allein bei der von der
Prokurätur losgelösten Advokatur liegen die Dinge doch wesent-
lich anders, als bei unseren Rechtsanwälten, welche auch die
Prokuratur übernehmen, ja sogar in manchen Ländern Notare
sind und noch andere mit der Prozessführung nicht zusammen-
hängende Geschäfte besorgen, also die Abhaltungen und da-
mit die Terminskollisionen häufiger sind, so dass sich
hier eine Beschränkung der Plaidierbefugniss empfiehlt, die dort
nicht angebracht ist °®.
Uebrigens besteht das Wesen der Freiheit der Advokatur
keineswegs darin, dass diese eine unterschiedslose Masse
bilde, sondern es sind sehr wohl Stufen innerhalb derselben denk-
bar, wie es auch Stufen der Richter giebt‘®. Es sei hier nur an
England erinnert, wo das Bestehen der Freiheit der Advokatur
noch niemals angezweifelt wurde, und wo man in den Queen
Counsels und den Barristern solche Stufen kennt (Note 13). Das
Wesen der freien Advokatur besteht darin, dass wer die ge-
setzlichen Voraussetzungen, die für die Zulassung bei einem
bestimmten Gerichte gegeben sind, erfüllt hat, bei diesem zu:
gelassen werden muss. Dieses wird aber dadurch nicht alterirt,
dass für die Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten andere
Normen für die Zulassung bestehen, und bei den Oberlandes-
gerichten wieder andere, als bei den Landgerichten.
Freilich würde die Schaffung einer besonderen Rechtsanwalt-
schaft bei den Oberlandesgerichten auch eine Aenderung der Be-
stimmungen über die Simultanzulassungen, insbesondere der
68 Für die Plaidierfreiheit der Advokaten führte man die Phrase in’s
Feld: „L’avocat a le globe pour territoire“.
59 v, WEINRICH, Reform S. 84,
8 Guns a.a. 0. S. 237 u. 238,
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