Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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7. Das Verhältniss zum Richteramt. 
I. In England werden alle Richter dem Advokatenstande 
entnommen und in Frankreich zum grössten Theile®!. Auch sind 
dort die Ergänzungsrichter an den Tribunalen fast durchweg 
Advokaten. Dass dadurch das Verhältniss der Advokaten zu den 
Richtern ein durchaus kollegiales wird und dass durch das hieraus 
sich ergebende Zusammenwirken von Advokatur und Magistratur 
für die Rechtspflege von ausserordentlichem Werthe ist, unter- 
liegt keinem Zweifel. Ebenso unterliegt es keinem Zweifel, dass 
es für beide Stände nur von Vortheil sein kann, wenn häufiger 
als bisher ein Wechsel zwischen Richtern und Rechtsanwälten 
eintrete und höhere Richterstellen mit ausgezeichneten Anwälten 
besetzt werden. Dagegen ist es nicht unbedenklich, wenn man 
die Rechtsanwaltschaft als Durchgangsstufe für das Richteramt 
betrachtet, indem auf diese Weise manche Personen in den Ad- 
vokatenstand gedrängt werden, die bei aller Ehrenhaftigkeit nicht 
für diesen Beruf passen und die Zahl der Advokaten auf diese 
Weise ausserordentlich vermehrt wird ®. 
II. Aber auch, wenn man den Uebertritt von dem einen 
Beruf in den andern nur als Ausnahme zulassen will, so ist es 
doch sehr zu beklagen, dass, was auch in der Enquete hervor- 
gehoben wurde®, sich das gegenseitige Verhältniss von 
Richtern und Rechtsanwälten zusehends verschlechtert. 
Die Schuld mag hier wohl auf beiden Seiten liegen. Bisweilen 
°ı Nach dem Gesetz vom 30. Aug. 1887 wird für die Anstellung als 
Richter bei einem Kollegialgerichte eine dreijährige Stage bei einem Barreau 
(avocat stagiaire) verlangt. Es sind also in Frankreich die Advokaten die 
praktischen Lehrmeister des Richterstandes! 
%2 Vgl. in diesem Sinne ein französischer Gewährsmann von EtLER für 
dessen Gutachten zum IV, Juristent. a. a. O. S. 340. 
°® Vgl. in dieser Frage die Aeusserungen der beiden Referenten Levy 
und PEuseL auf dem Anwaltstage; so wie v. WıLmowskı a. a. 0.8.6 u. 210.
	        
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