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überheben sich junge Anwälte, die zu früh zu grossen Einnahmen
gelangen, zum Theil bietet die mangelhafte Instruktion der Pro-
zesse Anlass zu Konflikten®*, zum Theil berührt auch die „ge-
schäftsmässige* DBerufsausübung mancher Rechtsanwälte un-
angenehm. Auf der anderen Seite zeigt sich aber bei einzelnen
Richtern ein gewisser Beamtenstolz, der dem Rechtsanwalt die
Gleichberechtigung nicht zugestehen will®. Einen Keim zu
Konflikten enthält ferner die Regulierung des Armen-
rechts. Nach 8 110 der O.-Pr.-O. erfolgt die Verleihung des
Armenrechts durch das Prozessgericht. Der bei der Sache so
sehr interessierte Anwaltstand ist gänzlich mundtodt ®®,
III. Vieles kann sich übrigens auch durch die vorgeschlagenen
Reformen bessern. Die Einrichtung der Amtsgerichtsanwaltschaft
wird verhüten, dass zu unerfahrene Rechtsanwälte mit wichtigen
Prozessen betraut werden und so zu verschiedenen Reibungen
Anlass bieten. Die besondere Rechtsanwaltschaft an den Ober-
landesgerichten, welche mit der einen idealen Berufsauffas-
sung so sehr hinderlichen Prokuratur sich nur wenig zu
befassen haben wird, dürfte jedenfalls der Ausbildung eines guten
Verhältnisses zwischen Richtern und Anwälten an den oberen
Gerichten förderlich sein und in diesem Sinne günstig auf die
unteren Gerichte wirken. Die Hauptsache aber wird immer an
den Personen liegen. Anwälte und Richter sollen persönliche
Leidenschaften und Antipathien zurückdrängen und stets dessen
eingedenk sein, dass auf einem glücklichen Zusammenwirken beider
Organe das Heil der Rechtspflege beruht.
%* PEnsEL a.2. 0.8.12.
65 Der bekannte Berliner Vertheidiger Frırz FRIEDMANN sagt in seiner
Brochüre: Die wahren Lehren des Prozesses, Berlin 1891, 8. 44, dass in ge-
wissen jüngeren Beamtenkreisen die Vertheidiger als bezahlte Klopffechter
bezeichnet zu werden pflegen.
68 Die Erfahrung lehrt, dass die Gerichte im Allgemeinen das Armen-
recht gerne ertheilen und in Folge dessen dasselbe keineswegs immer an
Bedürftige und öfters selbst in aussichtslosen Prozessen verliehen wird. —