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den Makel der Besserungs- und Strafanstalt aufgedrückt zu er-
halten. Für Kinder, welche auf diesem Wege nicht einem
ordentlichen und rechtschaffenen Leben zurückzugewinnen sind,
halten wir dann selbstverständlich noch die geschlossene Besse-
rungsanstalt in Bereitschaft.
Ich habe die Darstellung der Formen, in denen sich die
hiesige kommunale Kinderfürsorge bewegt, mit Absicht etwas
breiter und ausführlicher gehalten, als vielleicht nothwendig ge-
wesen wäre, um den Leser erkennen zu lassen, wie bereits in der
mit dieser Fürsorge verbundenen Aufsicht auf und über die der-
selben unterliegenden Kinder ein Theil der einem Vormunde zu-
fallenden pflichtmässigen Aufsicht und Fürsorge erfüllt wird bezw.
enthalten ist.
An diese soeben geschilderten administrativen Verfahrungs-
weisen schliesst sich nun unsere hiesige Einrichtung der Vormund-
schaftsübernahme über diese Kinder an. Den Anstoss zu derselben
gaben die auf dem (zebiete des Ziehkinderwesens bei uns ein-
getretenen Verhältnisse. Ueberall stiessen wir bei unseren Mass-
nahmen zum Schutze der Ziehkinder auf Schranken, welche wir
zu übersteigen oder zu umgehen nicht vermochten. Es schien
fast, als ob bis in die neuere Zeit das Ziehkinderwesen eine
Rechtsfrage darstelle, betreffs deren es zweifelhaft sei, ob die
Gesetzgebung eine Ordnung derselben nicht für nothwendig er-
achtet, oder nicht gewusst habe, wo dieselbe zweckmässig unter-
zubringen und zu erledigen sei. Weder unser früheres sächsisches
(Grewerbegesetz vom 15. Okt. 1861, welches nach seinem $ 1 „auf
alle gewerbsmässig betriebenen Beschäftigungen* Anwendung zu
leiden hatte, noch die Gewerbeordnung für den Norddeutschen
Bund bezw. das Deutsche Reich vom 25. Juni 1869 führten die
Erziehung von Kindern gegen Entgeld, also die gewerbsmässige
Erziehung derselben, unter ihren Ausnahmen auf. Auch unsere
sächsische Armengesetzgebung gewährte uns keinen Rückhalt,
denn das Ziehkinderwesen hat an sich mit der A.rmenpflege nichts