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Bereits Mitte des Jahres 1889 befanden wir uns in der Lage,
dies thun zu können. Vielleicht belehrt über die gemachten Er-
fahrungen am besten der Wortlaut einer Eingabe, welche das
hiesige Armenamt mit Zustimmung des Rathes unter dem 31. Aug.
1889 an das Kgl. Amtsgericht richtete. Sie lautete dahin:
„Als im Jahre 1886 zu dem zwischen dem geehrten Kgl.
Amtsgerichte und dem ergebenst unterzeichneten Armenamte be-
treffis der Bevormundung der der hiesigen Ziehkinderanstalt unter-
stellten Kinder getroffenen Abkommen die Genehmigung des
hohen Kgl. Ministerii der Justiz erbeten wurde, gingen Amts-
gericht und Armenamt von der Ansicht aus, dass es rathsam und
vorsichtigseinmöchte, den Versuch: „vormundschaftliche Funktionen
einer Behörde in ihrer geschäftsleitenden Spitze zu übertragen“,
zunächst in beschränkter Weise zu machen und erst dann, wenn
man Erfahrung darüber gesammelt, ob die Massregel sich be-
währe bezw. wie die Sache praktisch anzufassen und zu gestalten
sei? die Kreise weiter zu ziehen.
Die seit dem Inslebentreten des Abkommens verfiossene Zeit
und stattgehabte Uebung dürften wohl genügen, um nun ein Ur-
theil in der Sache abgeben zu können. Man meint diesseits das-
selbe dahin aussprechen zu können, dass das getroffene Ab-
kommen sowohl für beide Behörden, wie für das Publikum ein
Nutzen und eine Erleichterung gewesen ist. Beide Behörden
wurden der zeitraubenden Mühe überhoben, welche mit der Er-
mittelung bezw. der Inpflichtnahme von für die Vormundschaften
geeigneten Personen verknüpft ist, der zwischen Gericht und Vor-
mund sich abspielende Verkehr konnte sich in den knappsten
Formen bewegen, für beide Theile entfiel die oft zeitraubende
Instruktion der Vormünder über ihre Obliegenheiten und Mass-
nahmen in einzelnen an dieselben herantretenden Angelegenheiten,
das Publikum wurde mit der Uebernahme von Vormundschaften
verschont, die betrefienden ausserehelichen Mütter wussten, an
wen sie sich zu wenden hatten und dass sie stets und ohne Zeit-
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