98 —
dern auch dem Staat jede sachliche Verfügung über die für die
Entscheidung erheblichen Thatsachen, über die zu deren Er-
forschung dienlichen und verfügbaren Erkenntnissmittel und über
die aus jenen Thatsachen folgenden Rechtsverhältnisse ver-
sagt bleiben. Auf eine erhebliche Thatsache oder auf ein für
eine solche Thatsache einflussreiches Beweismittel ist von keiner
Seite, namentlich auch nicht von seiten des Staates und seiner
Organe, ein Verzicht rechtlich denkbar, so wenig wie auf
eine der rechtlichen Folgen aus jenen Thatsachen. Nicht minder
ist es andererseits eine rechtliche Unmöglichkeit, dass durch
Uebereinstimmung der Beteiligten der Beweis einer solchen er-
setzt werde“. Solche „prozessualische Rechtsgeschäfte“ (nach
WENDT und TRUTTER), wie sie im bürgerlichen Rechtsverfahren
zugelassen sind, kennt das Strafverfahren nicht und darf sie seiner
Natur und seinem Gegenstande nach nicht kennen.
Allerdings bemerkt HEInzE ganz richtig, dass der Straf-
prozess seinem Inhalt nach ein Rechtsstreit sein könne, jedoch
begrifflich nicht sein müsse, dass jedoch das Offizialprinzip davon
nicht berührt werde. Der alte Untersuchungsprozess hat dies
dargelegt, indem er ein Verwaltungsverfahren bis zum Enndspruch
war, wobei alle Wahrheitserforschung nach beiden Seiten hin
ausschliesslich in die Hand des Richters gelegt war. Indessen
gerade in der Ausschliessung des in der Sache gelegenen Straf-
rechtsverhältnisses mit seinem Antagonismus von Angriff und Ab-
wehr, Belastung und Entlastung, Schuld und Nichtschuld, Ver-
urteilung und Freisprechung, lag die Uebertreibung der Offizial-
maxime, die zur Zusammenfassung zu verschiedenartiger, eine
besondere Vertretung erfordernder Thätigkeit im Richter-
amt geführt hatte, was bereits H. A. ZAcHARIÄ in Göttingen in
seiner Schrift: „Gebrechen und Reform des Strafverfahrens“, 1846,
dargethan hatte. Das ganze prozessuale Verfügungsrecht kon-
zentrierte sich im Richteramt und das widersprach der Natur des
Strafrechtsverhältnisses, welche in dem Verlangen nach dem