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stets eine causae cognitio auch vor der auf Nichtverfolgung lau-
tenden Entscheidung eintreten zu lassen; auch die eifrigsten An-
hänger des Opportunitätsprinzips würden dem Staatsanwalt nicht
das Recht zusprechen wollen, die Verfolgung einer mit schwerer
Strafe bedrohten That und trotz dem bei Einleitung des Straf-
verfahrens in Aussicht stehenden Erfolg nur um deswillen zu
unterlassen, weil er meint, mit dieser Unterlassung werde dem
Staatsinteresse besser gedient, als mit der Verfolgung. Das war
freilich eine zu optimistische Annahme HEInzEs, denn da, wo das
„öffentliche Interesse“ als das Offizialprinzip beschränkend wie
anregend für Initiative und Durchführung des Strafverfahrens an-
erkannt wird, giebt es für die Beurteilung des Vorliegens eines
solchen Interesses keine Grenzen und es kann darunter manches
einseitige Regierungsinteresse untergeschoben werden, wenn dem
Staatsanwalt als Beamten der Justizverwaltung gegen seine Mei-
nung von den vorgesetzten Behörden eine Strafverfolgung unter-
sagt oder aufgenötigt wird — ohne Angabe auch nur irgend
eines Grundes, die ja nicht zu geschehen braucht. Gegen eine
Aufnötigung der Strafverfolgung durch Vorgesetzte wie durch
Verletzte, selbst durch die in der Presse sich geltend machenden
Stimmen, die ja keineswegs immer die wahre öffentliche Meinung
kund geben, soll das Jiegalitätsprinzip die Strafgesetzvollziehungs-
organe ebenso schützen, wie die Gesellschaft gegen ungesetzliche
Unterlassungen von Strafverfolgungen.
8 5.
Die neuere Doktrin verhält sich immer noch etwas schwan-
kend inbezug auf die Begrenzung der beiden hier behandelten
Prinzipien. LöwE, Kommentar zür St.-P.-O. $ 152 in Anm. 4a
bestimmte den Inhalt des Legalitätsprinzips dahin: es soll der
Staatsanwaltschaft nicht zustehen, strafbare Handlungen, bei
denen die Voraussetzungen der Bestrafung vorliegen, aus Zweck-
mässigkeitsgründen unverfolgt zu lassen. Der Gegensatz davon