— 114 —
rechtigung zur Strafverfolgung gesetzt ward, wurde nach und
nach die Strafgewalt und das Strafrecht i. s. S. als Rechtsfolge
der Strafgesetzverletzung, der „Strafanspruch“ in Parallele
mit der freien Verfügung Privater über ihre Rechtsverfolgung in
den Vordergrund geschoben, sodass der Inhaber der Strafgewalt
oder ihrer Ausübungsbefugnis, die „Justizverwaltung* auf die
Strafgesetzvollziehung — ohne Angabe von Gründen, wenn auch
nur „im Öffentlichen Interesse“ dies geschehen solle, verzichten,
andererseits die Weisung zu einer strafrechtlichen Verfolgung an
ihre Organe erteilen dürfe. Das war thatsächlich die Unter-
ordnung des Legalitätsprinzips unter das Opportunitätsprinzip
mit der Folge der Ausschliessung der Öffizialmaxime in mate-
rieller Beziehung durch die Dispositionsmaxime.
Die Staatsanwaltschaft sollte als Vertreterin der Strafansprüche
des Staates, jeweilig nach der Weisung ihrer Auftraggeberin, der
obersten Justizverwaltung, den im Strafgesetz liegenden Imperativ
zur Geltung bringen oder nicht. Diese Doktrin erschien gegen-
über der Bedeutung des Strafgesetzes als die Verwaltungspraxis
des Bureaukratismus absoluter Staatsregierungstendenzen und
liess sich mit der vom konstitutionellen System gefor-
ten Ausschliessung aller Kabinets- oder Ministerial-
justiz nach Massgabe der deutschen Verfassungen nicht
vereinbaren; denn die Strafgesetze beruhen auf der Verab-
schiedung der Vertreter der Staatsangehörigen mit der Staats-
regierung und daher kann und darf ihr Vollzug ohne Ver-
fassungsverletzung von der Justizverwaltung nicht gehemmt
werden. Mit der Ueberordnung der Interessensphäre des Staates
oder auch unter Umständen der Regierung über die Gesetzes-
herrschaft suchte man eine Stärkung der Staatsgewalt gegenüber
der Gesellschaft zu erreichen, welche die Sicherung vor ungerecht-
fertigten Angriffen auf die Freiheit ihrer Mitglieder fordert, ebenso
wie die gleiche Behandlung aller vor dem Gesetze; aber damit
wurde ein unüberwindliches Misstrauen im Volke gegen eine auf-