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schuldigten bedingt werden muss. Vielmehr ergiebt sich aus der
Natur der Strafsache als einer Sache des öffentlichen Rechts,
dass der Richter ebenso berechtigt als verpflichtet sein muss, die
Wahrheit nötigenfalls auch durch andere Mittel, als durch die
von dem Kläger oder dem Beschuldigten an die Hand gegebenen,
zu erforschen, sowie dass er bei der rechtlichen Beurteilung der
That und bei Abmessung der Strafe nicht an die Anträge des
Klägers gebunden sein darf.“ Diese Natur der Strafsache
erkennen sonach die Motive als das bestimmende Moment für
die Gestaltung des Strafprozesses an und daraus folgt unbedingt
das Legalitäts- und das Offizialprinzip so gut für den Rich-
ter wie für die Staatsanwaltschaft. Als eine Sache des öffent-
lichen Rechts ist die Strafsache als nach unabänderlichen Ge-
setzen zu behandelnde jeder einseitigen Verfügung entzogen.
8 7.
Die Besorgnis vor einer Uebertreibung des Legalitäts-
prinzips in der Praxis durch Konsequenzenziehung ins Extreme
und das Verkennen, dass auch Prinzipien im praktischen Lieben
ihre Ausnahmen haben können und müssen und cum grano salis
zu verstehen seien, hat manche in das Lager der Opportunisten
getrieben, mindestens ein Schwanken selbst angesehener Rechts-
gelehrten herbeigeführt, ganz besonders auch einzelner Staats-
anwälte, deren Rechtsüberzeugung nicht selten eine harte Probe
zu bestehen hat. Andererseits hat auch die staatsrechtliche
Auffassung, dass es noch etwas über der Strafgesetzgebung
Stehendes gebe, das als salus publica bezeichnete öffentliche
Interesse des Wohlfahrts- und Kulturstaates, dem das Rechts-
interesse im einzelnen Fall zu weichen habe, sich Geltung zu
verschaffen gesucht. Der dem absoluten Polizeistaat entnommene
Satz: voluntas regis suprema lex! hat im konstitutionellen Staat
eine Einschränkung dahin erlitten, dass es kein Gesetz ohne Mit-
wirkung der Gesellschaftsvertretung giebt und dass jedes aus der