Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

— 119 — 
Verabschiedung zwischen dieser und der Staatsregierung hervor- 
gegangene Gesetz auch für diese wie für alle Staatsorgane und 
Staatsbürger bindend und zur Befolgung wie zur Vollziehung zu 
bringen ist. Weshalb gerade für die Anwendung der Strafgesetze 
mit Rücksicht auf den einzelnen Fall eine Ausnahme von jener 
Grundregel des Rechtsstaates gemacht und dem ÖOpportunismus 
eine Bresche in die Grundmauer des Konstitutionalismus eröffnet 
werden soll, ist gar nicht verständlich, wenn nicht die ganze Be- 
deutung des Strafgesetzes über den Haufen geworfen werden soll. 
R. v. Gneist hat in seiner 1874 erschienenen Schrift: „Vier 
Fragen“ u. s. w. S. 22, wie niemand vor und nach ihm, treffend 
ausgeführt, dass Straf-Zivil- und Verwaltungsjustiz sich gegen- 
seitig ergänzen als die Grundsäulen des konstitutionellen Staates, 
dass aber die erste derselben weggenommen werde, sobald die 
ganze Strafverfolgung ausschliesslich zur Disposition der zeitigen 
Minister gestellt werde; jede konstitutionelle Ministerverwaltung 
habe den Beruf der Durchführung neuer Gesetze und Mass- 
regeln in Gemeinschaft mit einer ständigen und gewählten Re- 
präsentation der Gesellschaft, für welche sie jederzeit in einen 
Streit mit politischen Gegnern verwickelt werde; daher habe jedes 
Ministerium insoweit eine Parteistellung, als es auf die Mit- 
wirkung von beschliessenden Kammern verwiesen sei, während 
doch jedes Gesetz und jede wichtige Regierungsmassregel nur 
von bestimmten Grundsätzen über das Verhältniss von Staat 
und Gesellschaft ausgehe: „Die Unparteilichkeit der Staatsgewalt, 
um die es sich heute, wie in jeder Zeit, handelt, hat ihren -Sitz 
vielmehr an einer anderen Stelle. Mögen konservative und liberale 
Minister am Ruder sein, so muss die Handhabung von Ver- 
fassung und Gesetz dieselbe bleiben. Die rechtliche und 
sittliche Möglichkeit einer konstitutionellen Regierung beruht auf 
der Voraussetzung, dass jeder Unterthan gleichen Rechtsschutz 
finde, dass für die Minorität (die schwächeren oder missliebigen 
Parteien und Klassen der Gesellschaft) dasselbe Strafgesetz,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.