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gehalten worden ist, Dr. v. SCHWARZE (Gerichtssaal, 1864, 8. 22)
für den Staatsanwalt beanspruchte, ist ein Ideal, dem die Praxis
nur selten nahe kommt, aber zweifellos sich mehr nähern würde,
wenn die Beamten der Staatsanwaltschaft von allen Verwaltungs-
einflüssen befreit und analog den Richtern auf die strenge Ge-
setzeseinhaltung und ihr Rechtsgewissen verpflichtet würden, darauf,
dass sie nur nach ihrem Gesetzesverständnis, ohne Ansehen der
Person oder Sache, frei in der Beurteilung und Entschliessung
über die von dem Gesetz und seiner Anwendungsnotwendigkeit
gebotenen Strafverfolgung verfolge und dafür sorge, wie jede
Strafgesetzverletzung nach dem Gesetze zu bemessen, aber auch
ohne Rechts- und thatsächliche Begründung keiner mit einem
Strafanspruch verfolgt werde. Damit erst wird die Staatsanwalt-
schaft in den von der Verwaltung unabhängig sein sollenden
Justiz- oder Rechtspflegeberuf gestellt, wie auch das Verteidigungs-
amt, welches auch zu einer der Staatsanwaltschaft neben geordneten
staatlichen Behörde einzurichten und mit dieser in der „öffent-
lichen Anwaltschaft“* als unabhängige Staats- und Rechtsschutz-
organisation behufs ausgleichender Gerechtigkeitsübung in den
Organismus der Strafbehörden aufzunehmen wäre, was Verf.
anderwärts darzuthun versucht hat.
8 8.
Wie Prinzipien, zu den äussersten Konsequenzen getrieben,
leicht zu Absonderlichkeiten führen können und in der Rechts-
pflege auch zu Härten, so auch das Legalitätsprinzip, und daher
mag es kommen, dass Theoretiker und Praktiker aus Besorgnis
vor Uebertreibungen dem Opportunitätsprinzip sich mehr als jenem
zugeneigt haben. Wohin dies aber in der Praxis führt, dafür
liessen sich zahlreiche Beispiele anführen. Dem Utilitarismus und
der Willkür wird mit der Durchbrechung des Legalitätsprinzips
Thür und Thor geöffnet, damit aber die Achtung vor der Straf-
rechtspflege untergraben. Beispielsweise sei nur aus Frankreich,