— 1225 —
aus prozessualischen Rücksichten erleiden muss, so erweitert,
dass es in der Hand der Regierung liegt, Strafprozesse, die ge-
führt werden müssten, aussetzen oder abbrechen zu lassen, so
werden die opportunen Ausnahmen zur Regel und die Geltung
einzelner Strafgesetze wird, wenn auch aus politischen Rücksichten,
zur Verfügung der Regierung gestellt, dann aber stellt man das
Strafverfahren wenigstens partienweise unter das Opportunitäts-
und Dispositionsprinzip, z. B. wenn der preussische Justizminister
die allgemeine Anordnung trifft, dass von seiner Genehmigung
die Strafverfolgung von in der Presse verübten Majestäts-
beleidigungen, welche doch nach dem Strafgesetzbuch nicht erst
auf Ermächtigung, sondern von Amtswegen verfolgt werden
sollen, abhängen soll und die Staatsanwälte deshalb erst an ihn
zu berichten haben — in jedem einzelnen Fall. Hier muss man
fragen, ob dies mit dem in 8152 der 8t.-P.-O. kodifizierten Legali-
tätsprinzip sich vereinbaren lässt? Im Rechtsstaat bedarf es hier
einer festeren Begrenzung der Regierungsgewalt. Es lässt sich
allerdings schwer eine gesetzliche Grenze für Einhaltung eines
richtigen Masses der Einwirkung der Justizverwaltung auf die Straf-
rechtspflege gegenüber der in 8 148 des G.-V.-Ges. unbegrenzten
„Leitung“ der Staatsanwaltschaft durch die oberste Justizverwal-
tung ziehen. Auch im juristischen Publikum hat sich hie und da
ausserhalb der Staatsanwaltschaft die Auffassung von der Zu-
lässigkeit jeglicher ministerieller Einwirkung auf das einzelne
Strafverfahren eingelebt; so wurde z. B. von einem „Justiz-
beamten“ in der Lehrerzeitung für Thüringen und Mitteldeutsch-
land IV (1891) Nr. 20—22 vorgeschlagen, die Staatsanwaltschaft
solle sich vor Erhebung der öffentlichen Klage gegen einen Lehrer
wegen Ueberschreitung des Züchtigungsrechts und daraus ent-
standener Körperverletzung Instruktionen von der obersten
Schulbehörde erholen, oder diese solle zur Ermöglichung der
Wahrnehmung des Interesses der Schule die allgemeine Anord-
nung erlassen, dass die Staatsanwaltschaft das Material in einem