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zu nehmen sei, weil es sich um eine Pflicht handle, deren Er-
füllung mit der Rechtspflege zusammenhänge. Indessen dem gegen-
über hat GLASER so viele Ausnahmen aus politischen, wirtschaft-
lichen, sittlichen und anderen Rücksichten aufgeführt, dass die
Opportunität schliesslich die Oberhand über die Gesetzesgeltung
gewinnen kann.
Es giebt allerdings auch staatliche Aufgaben nicht-richter-
licher Natur, welche die Existenz der Staatsanwaltschaft recht-
fertigen und der richterlichen Prüfung entzogen sind, aber es
muss gesetzlich dafür gesorgt werden, dass sie nicht von der
Regierung zu ihren besonderen Zwecken, welche sich der (zxe-
sellschaft und der Rechtsordnung gegenüber als Parteizwecke
erkennbar machen, gebraucht werden könne und dürfe — am
wenigsten bei Vollzug der so tief in die persönlichen Grundrechte
eingreifenden Strafgesetze. GLASER betonte besonders, dass der
Staatsanwalt, wenn er einmal beschlossen habe, vor Gericht auf-
zutreten, Partei vor dem Richter sei, dass es aber nicht Partei-
lichkeit sein dürfe, was ihn vor diesen führe, denn das Interesse,
welches er trage, gehe über das Parteiinteresse hinaus, weil es
vor allem auf der Wahrheit und Gerechtigkeit beruhe — freilich
auch auf anderen, der richterlichen Kognition entzogenen Rück-
sichten; Behörde sei er, sofern er entscheide, ob das öffentliche
Recht der Anklage ruhen oder ausgeübt werden solle, Partei,
sowie er einmal durch Erhebung dieser Anklage einen gericht-
lichen Konflikt zwischen dem öffentlichen Interesse und dem An-
geklagten herbeigeführt habe. In diesen Ausführungen offenbart
sich die Auffassung, wie sie in dem Österreichischen Staatskom-
plex die herrschende seit den letzten dreissig Jahren geworden war.
Französische Schriftsteller, wie HELIE, Instruktion crimin,
I 8$ 111, 118, II 88 255, 385, Trebutien, Cours d’instr. II,
51, haben für die Opportunitätsfrage es als bedingend erachtet,
dass das Delikt die öffentliche Ordnung wesentlich berühre
und diese eine Bestrafung fordere — eine Auffassung, welcher