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Entstehen des Vertragsgesetzes mit. Welchen Charakter hat
diese Mitwirkung? Ist der Kaiser staatsrechtlich als staatliches
Willensorgan thätig? Oder hat die von ihm ausgehende Willens-
erklärung für das deutsche Vertragsgesetz dieselbe Bedeutung,
wie die Ratifikation von seiten des Mitkontrahenten? Wird nur
eine sachliche Bedingung erfüllt? Man kann die aufgeworfene
Frage auch so stellen: giebt der Kaiser nur völkerrechtlich oder
auch staatsrechtlich eine Willenserklärung ab?
ZORN war früher der Ansicht, das Vertragsgesetz entstehe
nicht in der nämlichen Weise, wie das gewöhnliche Reichsgesetz;
dem Kaiser gebühre bei ersterem eine positive Mitwirkung: „Die
Ratifikation ist bei Staatsverträgen genau der nämliche Rechtsakt
wie bei Gesetzen die Sanktion Sie enthält einmal nach
aussen, dem anderen Kontrahenten gegenüber, die feierliche Ver-
sicherung, dass der vereinbarte Vertragsentwurf den Rechtscharak-
ter empfangen habe und zweitens nach innen den Recht konsti-
tuierenden Imperativ, den Gesetzesbefehl. Nach Reichsstaatsrecht
ist jedoch zwischen Ratifikation und Sanktion insoferne ein Unter-
schied, als letztere durch den Vertreter der Souveränetät, den
Bundesrat, erfolgt, während erstere kraft Spezialrechts dem Kaiser
übertragen ist, indess der Bundesrat hier nur konform dem
Reichstage mitwirkt. Konsequent muss hieraus gefolgert werden,
dass der Kaiser trotz erfolgter Zustimmung des Bundesrates und
Genehmigung des Reichstages die Ratifikation auch versagen kann.
Dann kann weder von „Abschluss“ noch von „Gültigkeit“ recht-
lich die Rede sein. Während der Kaiser durch Verweigerung
der nur zur Promulgation erforderlichen Unterschrift bei Gesetzen
den Art. 17 vb. 5 der Reichsverfassung verletzen würde, ist
er zur Versagung der Ratifikation bei Staatsverträgen kraft des
im Art. 11 konstituierten Spezialrechts befugt“ ?.
Wie bereits erwähnt, zieht niemand dieses Spezialrecht in
® Zorn, Die deutschen Staatsverträge, Zeitschrift für die gesamte
Staatswissenschaft, Bd, 86, Tübingen 1880, S. 25, 30—81.