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nicht formeller Vertreter des Bundesrats, wenn die angeführten
Bestimmungen der Reichsverfassung seine völkerrechtliche Kom-
petenz beschränkten. Er hat alle Staatsverträge für das Reich
abzuschliessen, d. h. von ihm geht immer die Ratifikations-
erklärung aus. Für eine Reihe von Verträgen muss er die Zu-
stimmung des Bundesrats und die Genehmigung des Reichstages
einholen; für eine andere Reihe bedarf er derselben nicht. Der
Bündnisvertrag gehört zur zweiten Kategorie. Wenn der Kaiser
vor Abschluss eines solchen den Bundesrat um seine Meinung
befragt, so ist das eine besondere Freundlichkeit oder auch ein Akt
staatsmännischer Weisheit; rechtlich hat es gar keine Bedeutung.
Der Kaiser kann den Vertrag schliessen, ohne den Bundesrat
zu hören; er kann ihn sogar ratifizieren, nachdem der Bundesrat
davon abgeraten hat. In diesem Falle wird niemand den Kaiser
als den formellen Vertreter, den Bundesrat als den eigentlichen
Kontrahenten bezeichnen wollen. Er will ja gerade das Gegen-
teil von dem, was der Kaiser thut. Oder wird ersterer vom
letzteren bevormundet? Es ist nicht angängig, beim Bündnis den
Kaiser als Organ des Deutschen Reiches, beim Abschluss eines
Handelsvertrages aber als den Vertreter des Reichsorganes zu
betrachten. Seine Organstellung ist in beiden Fällen die nämliche.
Höchstens könnte man sagen: in dem einen Falle erzeugt er
allein den Reichswillen, im anderen ist er dazu nur unter Mit-
wirkung von Bundesrat und Reichstag befähigt. Was die völker-
rechtliche Frage anlangt, so ist das, wie gesagt, nicht unsere
Meinung. GoRrRIUS musste aber zu diesem Resultate gelangen.
Noch ein anderer Grund hätte Gorıus von der Aufstellung
seiner Behauptung abhalten müssen: der Vertreter hat das aus-
zuführen, was der Vertretene ihm aufgiebt; es steht ihm aber
nicht zu, das Gegenteil von dem zu thun, was letzterer will. Wäre
der Kaiser bei den in Abs. 3 des Art. 11 der Reichsverfassung
bezeichneten Verträgen der Vertreter des Bundesrats, so müsste
er also dessen Auftrag ausführen. Man sage nicht: er könne die