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Ratifikation spricht; und insoweit hat er vollkommen recht. Da-
gegen ist aber die Frage noch nicht beantwortet, welches die
staatsrechtliche Bedeutung der vom Kaiser vollzogenen Unter-
schrift sei? Kann dieselbe begrifflich nur zu dem Zwecke er-
folgen, die Auswechselung der Ratifikationen herbeizuführen?
Ich glaube nicht.
Indem der Kaiser unterzeichnet, fasst er den Willen, das
völkerrechtliche Rechtsgeschäft zu stande zu bringen und, wenn
dies gelungen, die deutscherseits übernommenen Verpflichtungen
zu erfüllen. Worin dieselben bestehen, ist nebensächlich. Nicht
gleichgültig ist es aber, dass der Kaiser sie so zur Erfüllung
bringen will, wie sie gerade erfüllt werden müssen. Wie schon
betont wurde, ist es seine staatsrechtliche Pflicht, soweit er es
vermag, für die Erfüllung der Verträge Sorge zu tragen. Dieser
Pflicht muss er eingedenk sein, wenn er über die Eingehung eines
Vertrages Beschluss fasst. Will er diesen, so will er auch das
zu seiner Ausführung Notwendige, so willer auch das Vertrags-
gesetz ausfertigen. In Wahrheit liegt also nur ein einziger Willens-
entschluss vor; es ist falsch, ihn zu spalten, weil er sich even-
tuell auf die Vornahme zweier Akte, eines völkerrechtlichen
und eines staatsrechtlichen beziehen muss; er muss es eben und
deshalb handelt es sich nur um einen Willensentschluss. Bei
der bisher befolgten Praxis tritt dies, wie gezeigt wurde, auch
äusserlich hervor. Aber auch nach Aenderung derselben würde
es sich in Wirklichkeit nicht anders verhalten.
Wir sagten vorher, indem der Kaiser unterzeichne, fasse er
einen Willen; es kommt jedoch auf dessen Erklärung an. Un-
erörtert mag bleiben, ob der Kaiser die von ihm unterschriebene
Urkunde vor der Weiterbeförderung mit der Wirkung zerreissen
kann, dass eine Willenserklärung überhaupt nicht abgegeben ist.
Gerade bei Verträgen wird ihm das niemand absprechen wollen;
werden sie doch nur durch Auswechselung der Ratifikationen
geschlossen! Hat die Weiterbeförderung — in diesem Falle der