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Zeit muss er dem Deutschen Reiche lassen. Träte einmal der
Fall ein, dass auf deutscher Seite eine Verschleppungstaktik nach
dem von den spanischen Üortes gegebenen Beispiele beliebt
würde (vgl. oben bei A. 13), — wir setzen hier voraus, der Vertrag
ist bereits ratifiziert worden, — so wäre der Mitkontrahent auf
Anwendung der Mittel angewiesen, welche ihm das Völkerrecht
bei Nichterfüllung, bezw. nicht rechtzeitiger Erfüllung eines Ver-
trages gewährt. Er kann aber nicht fordern, dass das Deutsche
Reich unmittelbar nach Austausch der Ratifikationen, noch an
dem nämlichen Tage, das entsprechende Gesetz in Kraft treten
lasse. Die Verpflichtung ist auf Erlass des Gesetzes gerichtet;
sie beginnt erst mit der Auswechselung der Ratifikationen; daraus
folgt, dass das Deutsche Reich völkerrechtlich nicht verpflichtet
ist, vor diesem Zeitpunkte irgend eine auf Erlass des Gesetzes
hinwirkende Massregel zu ergreifen. Ferner geht seine Ver-
pflichtung nur dahin, das Gesetz auf dem ordnungsmässigen Wege
zu stande kommen zu lassen; es braucht also auch die in Art. 2
der Reichsverfassung für das Inkrafttreten der Reichsgesetze vor-
geschriebene vierzehntägige Frist nicht abzukürzen.
Bestimmt sich der Anfangstermin der verbindlichen Kraft
des Gesetzes lediglich nach Art. 2 der Reichsverfassung, so wird
es sich leicht ereignen, dass das Deutsche Reich während eines
gewissen Zeitraumes völkerrechtlich bereits zur Erfüllung des
Vertrages verpflichtet ist, ohne dass der erforderliche staatsrecht-
liche Zustand hergestellt wäre, so dass thatsächlich die durch
den Vertrag vereinbarte Rechtslage noch nicht geschaffen ist,
Trotzdem darf man nicht sagen, das Deutsche Reich erfülle seine
Pflicht mangelhaft. Zu einer solchen Auffassung könnte man nur
unter Verkennung des Wesens der völkerrechtlichen Pflicht ge-
langen. Dieselbe ist eben in erster Linie durch Erlass staats-
rechtlicher Normen zu erfüllen.
Die soeben erwähnte Zwischenzeit zwischen dem Inkrafttreten
(les Vertrages und dem des Gesetzes wird nur kurz sein, wenn