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nicht massgebend sind. Er wäre für die deutschen Behörden
und Unterthanen nicht verbindlich, weil er ihnen gar nichts be-
fehlt. Die Sache erscheint so klar, dass wir — unter Ver-
weisung auf SELIGMANNS Ausführungen — uns weiterer Bemer-
kungen enthalten.
IV. Das Erlöschen des Vertragsgesetzes.
Das Vertragsgesetz kann durch einen neuen Gesetzgebungs-
akt aufgehoben werden; ferner erlischt es ohne einen solchen,
wenn es nur für bestimmte Zeit erlassen wurde, oder wenn das
ihm zu Grunde liegende Vertragsverhältnis sein Ende erreicht.
Die Wirkung des Vertragsgesetzes auf ältere Reichsgesetze
weist keine Bigentümlichkeit auf, bedarf deshalb keiner Erörterung
Wichtig ist dagegen das Verhältnis des jüngeren Reichsgesetzes
zum älteren Vertragsgesetze. Das letztere ist selbstverständlich
auch ein Reichsgesetz; nur zum Zwecke der schärferen Gegen-
überstellung wenden wir die Bezeichnung Reichsgesetz lediglich
auf diejenigen Gesetze an, welche nicht den Charakter eines
Vertragsgesetzes haben.
Das Deutsche Reich ist unzweifelhaft befähigt, ein Vertrags-
gesetz aufzuheben, wenngleich die völkerrechtliche Verpflichtung
fortdauert. Es handelt auch gar nicht vertragswidrig, falls das
Vertragsgesetz sofort durch ein anderes Gesetz ersetzt wird,
welches den übernommenen völkerrechtlichen Pflichten entspricht.
Aber selbst wenn dies nicht geschieht, ist die Aufhebung des
Vertragsgesetzes an sich rechtsbeständig. Freilich würde das
Deutsche Reich dann vertragsbrüchig werden, weil es seine
Pflichten nicht mehr erfüllt. Dennoch kann es dies thun; der
Staatsvertrag hat ihm ja nur völkerrechtliche Pflichten auferlegt,
seine staatsrechtliche Kompetenz, seine Fähigkeit und Freiheit
zur Vornahme von Akten der Gesetzgebung aber in keiner Weise
beschränkt.
Es ist nun die Frage aufzuwerfen, wie das Vertragsgesetz
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 2. 12