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nach der Staatsangehörigkeit richten !*? Zu welchen Konsequenzen
muss es führen, wenn man sich vorstellt, dass ein Individuum
gleichzeitig Angehöriger zweier mit einander kriegführenden
Nationen ist; — in wessen Reihen soll er kämpfen? Macht er sich
nicht dann gegenüber dem Staate, gegen welchen er die Waffen
ergriffen hat, des Treubruchs schuldig? Ist es endlich denkbar,
dass jemand in zwei, einander zuwiderlaufende Interessen ver-
folgenden Staaten politische Rechte ausübt !7?
Die Möglichkeit einer mehrfachen Staatsangehörigkeit ist
wiederholt von der völkerrechtlichen Doktrin geleugnet worden.
So meint FEUERBACH, dass „nach staats- und völkerrechtlichen
Verhältnissen und unter Voraussetzung der jetzt fast allgemein
geltenden Grundsätze über Staatsunterthanenschaft“ ein doppeltes
Staatsbürgerrecht sich nicht mehr denken lasse!®. PÜTTLINGEN
folgert aus der Untheilbarkeit der staatsrechtlichen Persönlichkeit
die Unmöglichkeit von „sujets mixtes“!°. Bar will aus dem Treu-
verhältnisse, welches das Individuum mit dem Staate verknüpft,
die Unmöglichkeit eines solchen mehrfachen Verhältnisses her-
leiten; die Treue könne bei einem Konflikte doch nur einem
Staate gehalten werden. Daher müsse man in einem solchen
Falle nur eine scheinbare mehrfache Staatsangehörigkeit annehmen
und dabei dem „thatsächlich näheren Verband“ den Vorrang
geben ?®,
Diesem rein theoretischen, de lege ferenda nicht gut anfecht-
baren Standpunkt kann man mit Recht wohl entgegenhalten, dass
de lege lata, nach positivem Recht, die Zulässigkeit oder Nicht-
zulässigkeit einer mehrfachen Staatsangehörigkeit sich nur nach
18 Bar e. a. O. S. 258. — LEHR, Du droit de se prevaloir d’une double
nationalit& (Rev. de dr. int. XII 1880, 8. 312 ff.).
17 Weiss a.a. 0. S. 24. — Cocorpan, La nationalitE au point de vue
des rapports internationaux, Paris 1890 II. ed. S. 14, 15.
18 FEUERBACH, Themis, Landshut 1812, S. 323.
19 PÜTTLINGEN e. a. O. S. 4l,
2° Bar, II, 8. 257, 258.
Archiv für Öffentliches Recht. XII. 2. 14