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der jeweiligen Landesgesetzgebung beurtheilen lässt. Ein Indi-
viduum als seinen Angehörigen zu betrachten, ist unbestreitbar
das ausschliessliche, aus der Souveränität sich ergebende Recht
des einzelnen Staates. Ueberall da, wo die Unvollkommenheit der
Gesetze, oder die Rechtsanschauung eines Staates jemandem ge-
stattet, gleichzeitig mehr als einem Staate anzugehören, wird man
nicht umhin können, die Existenz einer mehrfachen Staatsange-
hörigkeit zuzugeben; so PHILLIMORE?!, HEFFTER??, COGORDAN?,
BLUNTSCHLI?*, STOERK?®, MARTITZ?®, MARTENS”, CALvo®®,
Dagegen kann nicht bestritten werden, und hierin ist die ge-
sammte Doktrin einig, dass es sehr wünschenswerth und dem Be-
griff des modernen Staatswesens entsprechend sein würde, wenn
bei den heute gesteigerten Wechselbeziehungen zwischen den
einzelnen Staaten und bei der immer mehr sich ausbildenden
Freiheit des internationalen Verkehrs der Individuen ein der-
artiger Zustand der Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Natio-
nalität aus der Welt geschafft würde.
8 3. Historischer Ueberblick über die Stellung der
Staaten zu der Frage der mehrfachen Staats-
angehörigkeit.
Schon das römische Staatsrecht war sich klar darüber, dass
der gleichzeitige Besitz verschiedener Staatsangehörigkeit zu Un-
zuträglichkeiten Anlass geben musste. Der Erwerb eines fremden
Bürgerrechts zählte mit zu den Gründen der capitis diminutio?®:
#1 PHILLIMORE, Commentaries upon international law (3ed. London 1879).
22 HEFFTER a. a. O. S. 131.
23 (J0GORDAN a. a. O. S. 14, 15.
% BıuntscaLi, Völkerrecht 374.
25 STOERK in v. HoLTZenporrF's Handbuch a. a. O. S, 625.
3% MARTITZ &. a. 0.
27 MARTENS 8. a. O. S. 184.
38 Oınvo, Le droit. international, II 648 S. 189.
2°? LAWRENCE, Appendix zu WHEATON’s International Law, London 1863
S. 892.