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nach Kräften zu fördern. Wie sollten sie sich auch anders die
nöthige Zahl von Unterthanen verschaffen, von denen sie den
Militärdienst verlangen könnten, wenn sie den Einwanderern ge-
statteten, von Generation zu Generation Ausländer zu bleiben?
Theoretisch ist dieses System unhaltbar. Wenn es vielleicht
auch vor dem Abstammungsprinzip das voraus hat, dass die
Staatsangehörigkeit sich an eine leicht zu beweisende Thatsache
knüpft, so verurtheilt es sich doch selber durch die in keiner
Weise zu rechtfertigende Willkür, dem blossen Zufall eine solch’
entscheidende Wirkung auf das ganze Dasein eines Menschen beizu:
messen. Man vergegenwärtige sich nur die zahllosen umher-
reisenden Familien, welche niemals in dauernde Verbindung mit
ihrem Aufenthaltsorte treten — zu was für Widersprüchen müsste
die Durchführung eines solchen Systems da führen ?”!
Im Folgenden sollen nun die Fälle mehrfacher Staatsange-
hörigkeit erörtert werden, wie sie sich aus der gleichzeitigen An-
wendung der divergirenden landesgesetzlichen Bestimmungen auf
ein und dasselbe Individuum ergeben. Wie wir sehen werden,
entstehen solche Fälle nicht bloss durch den Gegensatz des jus
soli und des jus sanguinis, sondern unter Umständen sogar bei
gegenseitiger Anwendung des jus sanguinis.
85. Eheliche Geburt.
I. Das im Staate B geborene Kind eines Unter-
thanen von A ist auf Grund des in B unbeschränkt
geltenden jus soli Staatsangehöriger von B°®, gleich-
97 Buuntscauı, Rev. de dr. int. a. a. O. S. 109.
»# Zu A: Belgien, c. civ. art. 10: „tout enfant nd d’un Belge en pays
stranger est Belge.“ — Bulgarien, Verfssg. vom 18. April 1879 Art. 54:
„Bulgaren sind: 1. die in Bulgarien geborenen Individuen, welche keine
fremde Staatsangehörigkeit haben, 2. die im Auslande geborenen Kinder
bulgarischer Eltern“ (Ann. de leg. etr. 1880 S. 779). — Chile, Art. 6 Ver-
fssg. vom 25. Mai 1883: Chileans are... . 2: children of Chilean father and
mother born in a foreign country for the sole sake of their domieile being