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Da dieser einzig in seiner Art unter den europäischen Ge-
setzgebungen dastehende Satz einen auffallenden Bruch mit dem
bisher als Fundament des französischen Indigenatsrechts geltenden
Abstammungsprinzip enthält, so dürfte es nicht uninteressant
sein, in eine kurze Betrachtung der Motive, welche zu seiner
Annahme geführt haben, einzutreten. Er ist erst 1889 ın den
code civil aufgenommen worden und hat die seit den Gesetzen
vom 12. Februar 1851 und vom 18. Dezember 1874 geltende
Bestimmung verdrängt, wonach jedes in Frankreich geborene
Kind von gleichfalls dort geborenen Eltern bis zu seiner Voll-
jährigkeit als Franzose angesehen wurde, ihm dann aber ein
Optionsrecht für die angestammte Heimath zustand. Es waren
lediglich Erwägungen politischer Natur, die den Gesetzgeber zu
einer auffallenden Aenderung des bis dahin geltenden Rechts be-
wogen. Die ganze, schon 1851 inaugurirte Neugestaltung des
französischen Heimathsrechts ist von dem Gedanken getragen,
für die Abnahme der Bevölkerung und, damit Hand in Hand
gehend, auch der waffenfähigen Mannschaft dadurch Ersatz zu
schaffen, dass man dem Erwerb der Staatsangehörigkeit auf jede
Weise Vorschub leistet. Gleichzeitig wollte man auf diesem Wege
dem in rapider Zunahme begriffenen Anwachsen der in Frank-
reich ansässigen Fremden steuern!'?. Die Gesetze von 1851 und
1874 hatten sich als hierzu nicht ausreichend erwiesen, und so
entstand die jetzige Fassung des Art. 8, 3.
Eine rigorose Durchführung dieser Bestimmung muss zu be-
dauerlichen Eingriffen in die Souveränitätsrechte anderer Staaten
führen. Denn sie trifft nicht nur die Fälle, die der Gesetzgeber
wohl zunächst im Auge gehabt haben mag, -wo die Eltern auch
in Frankreich ansässig sind und das Kind selber dort seine Er-
ziehung genossen hat, sondern sie wird auch überall da angewendet
112 Weiss a. a. O. S. 49 u. 198f. — Le SuEur et Drevruss, De la
nationaliteE de l’individu ne en France d’une eEtrangere qui elle-m&me y est
nee (Journ. d. dr. intern. prive XIX S. 78f.).