Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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zustand von dem gegenwärtigen nur in dem Gebiete wesentlich, 
wo zur Gründung der Vereine keine Genehmigung einzuholen ist. 
Das Recht der freien Association leidet unter dem Geiste poli- 
zeilicher Bevormundung. Es ist nur insoweit Beschränkung zu 
unterwerfen, als es die Rücksicht auf die Erhaltung der staat- 
lichen Ordnung erheischt. Auf diesem Gebiete die richtige Grenze 
zu finden, bleibt Aufgabe eines Reichsvereinsgesetzes. Die Vereine 
sind neben der Presse Organe der öffentlichen Meinung und des 
Rechtsbewusstseins des Volkes. Eine grosse Anzahl von Vereinen 
stellt sich Aufgaben, die mit den Zwecken des Staats in Ver- 
bindung stehend, diesem die Erfüllung seiner Aufgabe erleichtern. 
Die Gesetzgebung muss desshalb der Assoziation auf diesem Gre- 
biete fördernd entgegentreten. Die Erfolge auf dem Gebiete des 
Vereinslebens sind zweifellos den bestehenden praktischen Be- 
stimmungen zuzuschreiben, welche das Prinzip der Vereinsfreiheit 
festhaltend, in der Beschränkung dieser Freiheit im öffentlichen 
Interesse die richtige Grenze einhalten. Die Mannigfaltigkeit der 
Einzelvorschriften, der Strafbestimmungen und Auflösungsgründe 
in den Einzelstaaten ist desshalb zu beseitigen. Die ganze Ent- 
wicklung drängt mit Ungestüm auf ein gemeinsames Vereinsgesetz 
hin, denn der privatrechtliche Fortschritt im bürgerlichen Gesetz- 
buch wird durch den unbefriedigten Zustand des öffentlichen 
Rechts zum Theil parallelisirt. 
In der neuesten Zeit trat bei den Debatten über Verlängerung 
des Sozialistengesetzes die wichtige Frage in den Vordergrund. 
Sie erhielt im Mai 1895 eine neue Anregung durch den von der 
sozialdemokratischen Partei eingebrachten Gesetzesentwurf über 
Versammlungsrecht und Koalitionsfreiheit. Auch in der 1896er 
Session berieth der Reichstag über den von Abgeordneten der 
Sozialdemokratie und der freisinnigen Volkspartei eingebrachten 
Gesetzentwurf, betr. die Gewährung eines freien Vereins- und 
2° $. Dr. Furn, Das bürgerliche Gesetzbuch und die Korporationsbil- 
dung in der Zeitschrift Soziale Praxis, IV. Jahrg. S. 288.
	        
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