Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Was aber die Unübertragbarkeit des souveränen Volkswillens anlange, 
so widerspreche jede Art von Repräsentativverfassung diesem Grundsatz. Es 
sei eine unhaltbare Fiktion, den Willen des Volks für unübertragbar zu er- 
achten und zugleich Vertreter zuzulassen, welche nach ihrem eigenen, freien 
Willen ohne Auftrag und ohne Verantwortlichkeit abstimmen; indem die 
Verfassung den Willen dieser Vertreter für den Volkswillen erklärt, sanktio- 
nirt sie die Uebertragung des Volkswillens vom Volke auf die Versammlung 
der Deputirten. Das Volk habe als solches überhaupt keinen Willen; einen 
solchen habe nur der Einzelne; jeder Einzelne habe einen Antheil an der 
Volkssouveränetät, indem sein individueller Wille zur Bildung des allgemeinen 
Volkswillens mitwirke, Dabei sei es aber unerheblich, ob Jemand seinen 
individuellen Willen selbst unmittelbar erklärt oder ob er ihn durch einen 
Stellvertreter erklären lasse, der an den ihm ertheilten Auftrag gebunden 
sei. Der von den Wahlberechtigten eines Wahlkreises gewählte Deputirte sei 
ihr gemeinschaftlicher Vertreter, durch den sie ihren Antheil am Volkswillen, 
d.h. der Souveränetät des Volkes, zur Ausübung bringen. Dies sei aber nur 
möglich, wenn er an die ihm ertheilten Instruktionen gebunden sei, und folg- 
lich entspreche das imperative Mandat allein dem Grundprinzip der Volks- 
souveränetät. Auf die Frage, in welcher juristischen Form es in praktisch 
durchführbarer Weise zu gestalten sei, geht der Verf. nicht ein; er hat sich 
darauf beschränkt darzuthun, dass es ein Widerspruch sei, ein Staatswesen 
auf die Volkssouveränetät zu gründen und den Wählern die Stellung von 
Mandanten ihren Gewählten gegenüber zu versagen. Inwieweit das imperative 
Mandat in einem Staatswesen, das nicht auf das Prinzip der Volkssouveräne- 
tät gegründet ist, gerechtfertigt sei, erörtert der Verf. nicht; er hatte dazu 
auch keinen Anlass, da das Verbot des imperativen Mandats 1789 aus dem 
Grundsatz der Volkssouveränetät hergeleitet wurde und aus der französischen 
Verfassung vom 3. Sept. 1791 Art. 7 in alle anderen übergegangen ist. 
Man muss dem Verf. Recht geben, dass, wenn die Volksvertreter als 
Mandatare gedacht werden, die logische Konsequenz zu dem imperativen 
Mandat führt, auch wenn man sie als Vertreter des ganzen Volkes und nicht 
als Vertreter der Wählersehaft, welcher sie ihr Mandat verdanken, sich vor- 
stellt. Aber diese ganze Vorstellung ist abzulehnen. Die Volksvertreter 
vertreten Niemanden, weder ihre Wähler, noch das ganze Volk. Der Aus- 
druck „Volksvertretung“ hat eine politische Bedeutung, keine juristische. 
Der Volksvertreter hat öffentlichrechtliche Funktionen kraft Gesetzes, nicht 
kraft Auftrages. Das Verfassungsrecht erfordert ein Organ, welches un- 
abhängig vom Willen des Monarchen und seiner Beamten gebildet wird, und 
bedient sich zur Herstellung dieses Organs der Wahlen als eines Mittels. 
Wenn der Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben hat, ist seine Öffentlich- 
rechtliche Funktion erfüllt, sein sog. Recht erschöpft. In ein rechtliches 
Verhältniss zu dem Gewählten tritt er überhaupt niemals; der Wähler der 
siegenden Majorität ebensowenig wie der Wähler der unterliegenden Par-
	        
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