Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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teien. Wenn man auf den Gewählten den Begriff des Mandats anwenden 
könnte, so wäre nicht der Wähler, sondern nur der Staat als Mandant zu 
denken, Der Staat betraut den Deputirten mit Geschäften, nicht der Wähler. 
So wie der Monarch kein Erbrecht auf den Thron hat, sondern das Ver- 
fassungsrecht sich nur des Erbrechts zur Bestimmung der Thronfolgeordnung 
bedient, dem Privatrecht gewisse Regeln entlehnt und sie zu Sätzen des Ver- 
fassungsrechts umgestaltet, so ist auch die Wahl nur der Modus, mittelst 
dessen der Staat die Mitglieder des Landtages beruft. 
Dem Prinzip der Volkssouveränetät entspricht allerdings das imperative 
Mandat; der Grundgedanke des konstitutionellen Staates aber verträgt sich 
mit dem Prinzip der Volkssouveränetät überhaupt nicht, und wenn man die 
Einrichtung des imperativen Mandats bis in ihre letzten Konsequenzen ver- 
folgt, so führt sie zur Vernichtung der Volksvertretung überhaupt. Wenn 
die Parteien, wie es thatsächlich der Fall ist, ihre Organisation über das 
ganze Land ausdehnen und in allen Wahlkreisen, in welchen sie einen Kandi- 
daten aufstellen, übereinstimmende Wahlprogramme aufstellen, so empfangen 
alle Deputirten derselben Partei hinsichtlich der schwebenden Fragen 
identische imperative Mandate. Die Wahlprogramme werden im Interesse 
der Partei immer vollständiger werden und in das Einzelne gehen; vielleicht 
auch die allgemeine Klausel enthalten, dass der Deputirte in allen, im Wahl- 
programm nicht besonders erwähnten Punkten nach der von der Partei er- 
theilten Anweisung zu stimmen habe. Werden Anfangs die „Mandate“ 
vielleicht noch dem einzelnen Deputirten eine gewisse Freiheit lassen, so 
wird das bald aufhören, da die Partei um so mächtiger ist, je fester ge- 
schlossen sie ist. Für den Deputirten mit imperativem Mandat ist die Debatte 
im Landtag oder Reichstag überflüssig; er ist an seine Instruktion gebunden; 
die Gründe, welche von der Gegenpartei vorgebracht werden, können seine 
Abstimmung nicht ändern, selbst wenn sie ihm beachtenswerth scheinen; 
seine Stimme gehört der Partei, nicht ihm; ein abweichendes Votum wäre 
ein Abfall, ein Verrath an der Partei. Die Debatten sind überhaupt nur 
noch von Bedeutung für die Agitation; die Reden werden nicht für die 
Deputirten, sondern zum Fenster hinaus gehalten. Es erscheint daher auch 
gar nicht mehr nöthig, dass die Deputirten selbst bei den Verhandlungen des 
Parlaments erscheinen und ihre Stimme selbst abgeben. Die Partei kann 
bei der Abstimmung durch einen Stimmführer vertreten sein, welcher so 
viele Stimmen führt als die Partei Mitglieder hat. Man hat dafür am 
deutschen Bundesrath ein Beispiel, dessen Mitglieder imperative Mandate 
haben; in Folge dessen stimmt der preussische Bevollmächtige mit 17, der 
bayrische mit 6 Stimmen u. s. w. Auf den Reichstag übertragen würde der 
Stimmführer des Centrums, der Sozialdemokraten, der Nationalliberalen u.s. w. 
so viele Stimmen abgeben, als die Partei „Mandate“ hat. Der Reichstag 
würde niemals beschlussunfähig sein; die Abgeordneten brauchten sich über- 
haupt nicht zu den Sitzungen einzufinden; sie könnten ruhig zu Hause bleiben
	        
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