Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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solche trat erst ein, als im Jahre 1866 Oesterreich unter consensus omnium 
aus dem deutschen Bunde ausschied, was als Ausscheiden aus dem Reichs- 
verbande zu betrachten war. Alle übrigen Betheiligten gründeten wiederum 
neue, reichsrechtlich zulässige, Bundesverhältnisse (Norddeutscher Bund, Schutz- 
und Trutzbündnisse mit Süddeutschland). Im Jahre 1871 war man im Be- 
griff, diese Bundesverhältnisse von Neuem zu einem „Deutschen Bund“ zu 
vereinheitlichen. Dazu kam es aber nicht, weil an dessen Stelle jetzt end- 
lich eine neue Kaiserwahl vorgenommen wurde. Für diese Kaiserwahl konnte 
die Goldene Bulle nicht zu Grunde gelegt werden, da die Voraussetzungen 
derselben fehlten (z. B. dass nach der Goldenen Bulle der Erzbischof von 
Mainz die Wahl ausschrieb; einen solchen gab es aber nicht mehr). Des- 
wegen musste auf das Staatsrecht vor Erlass der Goldenen Bulle zurück- 
gegriffen werden. Da der Kurfürst von Böhmen seit dem Ausscheiden Oester- 
reichs weggefallen war, so ergriff der dem Rang nach nächste Kurfürst, der 
von Bayern als Inhaber der Pfalzstimme, die Initiative, und auf seine Ver- 
anlassung kürte jeder deutsche Fürst den König von Preussen zu seinem 
Kaiser, worauf dann das Reichsrecht dahin geändert wurde, dass in Zukunft 
die Kaiserwürde bei diesem Hause erblich verbleiben sollte. Damit war 
nach einem Interregnum von 1806—1871 das Reich auch in seiner äussern 
Gestaltung wiederhergestellt. Dieses wiederhergestellte Reich ist bis jetzt 
ebenso ein monarchischer Einheitsstaat, wie es dies vor dem Jahre 1806 ge- 
wesen war. Der Regensburger Reichstag lebt weiter im Berliner Bundesrath, 
und nur die Aenderung ist hinzugefügt worden, dass eine andere Versamm- 
lung, die nunmehr den Namen Reichstag annahm, daneben tritt. In diesem 
Staatswesen ist der einzige souveräne Monarch der Kaiser. Die Fürsten sind 
Mitglieder des Reichsfürstenstandes und als solche erbliche, mit weitgehen- 
den Sonderrechten ausgestattete, Regenten gewisser Reichstheile. 
Diese Theorie unterliegt einer Kritik nach der juristischen, nach der 
historischen und nach der politischen Seite. 
Juristisch ist nur das Eine auffallend, dass der Verf. ernst genommen 
sein will. Sein Ausgangspunkt, dass das Reich, welches im Jahre 1806 keinen 
Auflösungsbeschluss gefasst hat, unaufhörlich fortexistire, steht staatsrechtlich 
auf derselben Höhe, wie völkerrechtlich die bekannte Deduktion, dass Preussen 
sich noch heute mit Liechtenstein im Kriegszustande befinde, weil im Jahre 
1866 vergessen wurde, mit ihm Frieden zu schliessen, 
Nicht ganz ebenso haltlos ist jedoch die Theorie von der Kontinuität 
des neuen und des alten Reichs, wenn ınan sie historisch fasst. Der his- 
torısche Zusammenhang eines jüngeren mit einem älteren Staatswesen muss 
nicht nothwendig ein staatsrechtlicher sein. Er kann sich auch darin zeigen, 
dass der untergegangene Staat im Reich der Idee weiter lebt, und dass später 
diesem Ideenkreise die Grundform für eine neue reale Gestaltung entnommen 
wird. Insofern ist ein historischer Zusammenhang zwischen neuem und altem 
Reich auch in seinen Formen vorhanden.
	        
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