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Arthur Stadthagen, früherer Rechtsanwalt und Mitglied des deutschen
Reichstags, Das Arbeiterrecht. Rechte und Pflichten der Arbeiter
in Deutschland aus dem gewerblichen Arbeitsvertrag, der Unfall-,
Kranken-, Invaliditäts- und Altersversicherung. Mit Beispielen und
Formularen für Klagen, Anträge, Beschwerden, Berufungen u. s. w.
Berlin, Hans Baake, 1896. Gr. 8°. 352 S. 220 Mk. Geb. 3 Mk.
Unsere komplizirte sozialpolitische und Gewerbegesetzgebung macht es
sicherlich nothwendig, den interessirten Kreisen, d. h. also insbesondere den
Arbeitgebern und Arbeitnehmern praktische Hilfsmittel zum besseren Ver-
ständniss dieser Gesetzgebung in die Hand zu geben. Das STADTHAGEN’sche
Buch ist ausschliesslich für den Arbeiter bestimmt, um ihm, wie das Vor-
wort sagt, „die Möglichkeit zu erleichtern, die wenigen Rechte, die ihm aus
dem Arbeitsvertrage und aus der sog. sozial-politischen Gesetzgebung er-
wachsen, kennen zu lernen und möglichst selbständig wahrzunehmen.“ Schon
diese wenigen einleitenden Worte legen die Nebentendenz des Buches dar.
Der Verf. beschränkt sich nicht auf eine objektive Darstellung und Erläuterung
des geltenden Rechts, sondern er will zugleich von seinem sozialdemokratischen
Standpunkte aus auf die Arbeiter einwirken. So heisst es in der Einleitung:
„Als Arbeitgeber (Unternehmer) wird der Käufer der Arbeitskraft bezeichnet.
Ihm giebt der Arbeiter seine Arbeitskraft desshalb, weil seine Arbeitskraft
sein einziger Reichthum ist und er diesen nur durch Verdingung verwerthen
kann, so lange die Produktionsmittel — Maschinen, Grund und Boden, Berg-
werke u. s. w. — im Besitze nur Einzelner sind und nicht Eigenthum der
Gesellschaft und für und durch diese verwaltet werden.“
Weiter auf S.13: „An Stelle der Lederpeitsche und des Stocks, durch
die der altrömische Sklavenhalter seine Sklaven zur Arbeit zwingen konnte,
ist die Hungerpeitsche dem modernen Arbeiter gegenübergetreten, der sich
in wirthschaftlicher Botmässigkeit der Unternehmerklasse gegenüber befindet.“
Ueber das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz belehrt Verf. den Ar-
beiter auf S. 17: „Die Folge des Gesetzes ist, dass die Armenlasten der Ge-
meinden etwas verringert sind, dass der ın Gestalt der Klebemarken zu
zahlende Theil der Armenlasten von den Schultern der Wohlhabenderen in
stärkerem Maasse als vordem auf die Schultern der Aermeren gelegt ist und
dass eine Anzahl Beamter Anstellung gefunden hat.“ Und so geht es durch
das ganze Buch.
Sonst ist dem Buche praktische Brauchbarkeit nicht abzusprechen. Es
behandelt in seinem ersten Theil das gewerbliche Arbeitsverhältniss und im
zweiten Theil das Verfahren für Streitigkeiten aus dem gewerblichen Arbeits-
verhältniss.. Im dritten Theil werden dann Beispiele und Formulare für An-
träge, Klagen, Beschwerden und Berufungen gegeben. Der Preis des sehr
umfangreichen, 352 Seiten in Gross 8° zählenden Buches ist für die weiteste
Verbreitung in Arbeiterkreisen billig bemessen (2,20 Mk.). Diese weite Ver-
breitung kann man aber dem Buche nicht wünschen, da es der sozialdemo-