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A. Herm. Post, Grundriss der ethnologischen Jurisprudenz.
Oldenburg u. Leipzig, Schulze’sche Buchhandlung, 1894 u. 95, 2 Bde.,
Gr. 8°. 16 Mk.
Es kann als eine freundliche Fügung des Geschicks bezeichnet werden,
dass es dem Verf. des vorliegenden Werkes noch vergönnt gewesen ist, in
dieser Arbeit die Summe aller früheren Detailuntersuchungen zu ziehen. Diese
Systematisirung des Stoffes, so mitleidig sie bisweilen von den allzueifrigen
Empiristen beurtheilt zu werden pflegt, ist doch letzten Endes für jede wissen-
schaftliche Thätigkeit und Erkenntniss erforderlich — dieser Einsicht sollte
man sich nicht absichtlich verschliessen; es handelt sich nur um den ge-
gegenen Zeitpunkt. Wer nun insbesondere den Untersuchungen des ver-
storbenen Forschers gefolgt ist, der wird diese konzentrische Tendenz, welche
einen endgültigen zusammenfassenden Abschluss nahe legte, bemerkt haben.
Anderseits versteht es sich ja von selbst, dass trotz dieses kritischen Entwurfes
eine genauere Zergliederung mancher Punkte nicht ausgeschlossen ist; um-
gekehrt lässt sich in einer solchen Uebersicht das wissenschaftlich erprobte
Resultat um so klarer von dem bloss Wahrscheinlichen und Hypothetischen
trennen. Ausserdem verfolgt eine solche Darstellung noch den sehr löblichen
praktischen Zweck, den Juristen, welcher sich nicht im Stande fühlt, den
monographischen Arbeiten im Einzelnen zu folgen, eine gediegene Orien-
tirung über den zeitigen Stand der Forschung zu ermöglichen. Post hat
hier, wie in manchen Schriften der letzten Jahre, eine gewisse Doppelthei-
lung des Stoffes versucht, zunächst nach sachlichen Gesichtspunkten in einer
systematischen Anordnung, sodann aber unter Hinzuziehung eines äussert um-
fassenden ethnographischen Materials, an dem gleichzeitig die konkrete An-
wendung der Rechtssätze veranschaulicht wurde. Lassen wir den Autor
selbst über sein Werk zu Worte kommen: Der erste Band, welcher hiermit
der Oeffentlichkeit übergeben wird, enthält den allgemeinen Theil eines Uni-
versalrechtes der Menschheit. Es sind in ihm alle Ausgangsformen des
menschlichen Rechts zusammengestellt und damit die Grundlagen der Rechte
aller Völker der Erde zur Darstellung gebracht. So vermessen dies auch
klingen mag, so ist doch die Aufgabe nicht eine so ungeheuere, wie dies auf
den ersten Blick erscheinen mag. Denn die Grundzüge des menschlichen
Rechts sind einfach, gross und klar, wie die Gesetze der Sternenwelt, und
nur im Detail der einzelnen Völkergebiete wird die Variation eine von ein-
zelnen Forschern nicht mehr zu bewältigende. Da vor der Entstehung der
ethnologischen Jurisprudenz diese grossen Grundzüge des menschlichen Rechts
unbekennt waren, musste bis dahin allerdings ein System des Universalrechts
als ein alles menschliche Wissen und Können übersteigendes Problem er-
scheinen. Die ethnologische Jurisprudenz hat dies Problem durchaus in das
Gebiet des Erreichbaren gerückt. (Vorw. S. V.) Nach einer Einleitung,
welche vom sozialpsychologischen Standpunkt aus die Beziehungen der Ethno-
logie zur Rechtswissenschaft überhaupt abgrenzt und die Aufgabe der letz-