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Wenn deshalb nach dem Inkraftreten des Bürgerlichen Gesetz-
buches die im Eingang erörterte Frage von Neuem auftritt, so
werden die geschlossenen Ehen nicht deshalb für gültig zu er-
achten sein, weil das bayerische Gesetz von 1892 diese Gültigkeit
bewilligt, sondern vielmehr deshalb, weil das Reichsrecht die
Gültigkeit garantirt und Bayern dieselbe, ob wollend oder nicht,
anerkennen muss. Im Gegentheil tritt derjenige Satz des Art. 33
Absatz 2 des bayerischen Gesetzes, welcher in seiner jetzigen
Fassung lautet:
„Auf die Rechtsgültigkeit der geschlossenen Ehe ist der
Stempel dieses Zeugnisses ohne Einfluss“
als eine privatrechtliche Vorschrift gemäss Art. 55 des Einf.-Ges.
zum B. G.-B. ausser Kraft.
Allerdings ist Angesichts der materiellen Uebereinstimmung
dieser Vorschrift mit dem Bürgerlichen Gesetzbuche die mit dem
letzteren eintretende Neuerung eine mehr theoretische. Die vor-
stehende Erörterung erschien aber gleichwohl nicht unwichtig wegen
der grundsätzlichen Bedeutung, welche die Frage über das Verhält-
niss des Bürgerlichen Gesetzbuches zu den bayerischen Reservat-
rechten zu beanspruchen hat, deren Consequenzen sich zur Zeit
noch gar nicht voll übersehen lassen. Gegenüber dieser Be-
deutung erscheint es von prinzipiellem Belang, festzustellen, dass
die Meinung, als ob die bayerischen Reservatrechte eben wegen
des ihnen gewährten Vorbehalts, vom Bürgerlichen Gesetzbuch
„nicht berührt* würden, unrichtig ist. Es ist vielmehr der ent-
gegengesetzte Satz aufzustellen:
„Das Bürgerliche Gesetzbuch gilt uneinge-
schränkt auch in Bayern. Keiner Bestimmung des-
selben darf wegen eines bayerischen Reservat-
rechtes die Geltung versagt werden.“
Wenn thatsächlich der bayerische Rechtszustand im Wesent-
lichen unverändert bleibt, so geschieht dies lediglich deshalb,
weil er in Wahrheit nichts enthält, was mit dem Bürgerlichen
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