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schaffenden internationalen Organs. Uns däucht, dass vor Allem gewisse fort-
laufende Kontrol- und Verwaltungsfunktionen prophylaktischer Art inter-
nationalen Organen anvertraut werden müssten. Insoweit müssten die letz-
teren mit den Gerichten nur die Unabhängigkeit ihrer Mitglieder gemein
haben. Es ist uns nicht ganz klar, ob M. etwa der Gedanke eines zentra-
lisirten internationalen Staatsschuldengerichtshofes vorschwebt. Uns scheint,
dass jene internationalen Organe durchgängig in den einzelnen Ländern
lokalisirt und unter einer gewissen Mitwirkung und Betheiligung des
schuldnerischen Staates gebildet werden müssten.
Uebrigens kommt es zur Zeit vor Allem darauf an, das Bewusstsein und
die Ueberzeugung in immer weitere Kreise zu tragen, dass durch Stärkung
und Ausbildung internationaler Rechtseinrichtungen eine weitergehende Siche-
rung der Staatsgläubiger erstrebt werden muss. M.’s Schrift wird dazu bei-
tragen. Der bewährte Vorkämpfer des internationalen Rechtes hat durch
dieselbe seinen bisherigen Verdiensten um jenes Recht ein erhebliches neues
hinzugefügt. Kaufmann.
Schmidt, Dr. Richard, Die Aufgaben der Strafrechtspflege, Leipzig,
Duncker & Humblot, 1895. VIII 3128. Gr. 8 Mk. 6.—.
Bei den Praktikern besteht vielfach eine Abneigung gegen rechtsphilo-
sophische Erörterungen, wie sehr sie auch die für die Auslegung der neueren
Gesetze unentbehrliche Erkenntniss ihrer Prinzipien fördern. Ermöglicht
doch gerade auf dem Gebiete der Strafzumessung die Erkenntniss des Ge-
setzesprinzips eine gleichmässige über den (erichtssprengel hinausgehende
Gesetzesanwendung. Schon die Interessen der Rechtspflege verlangen daher
von dem Strafrichter, dass er über dieses Prinzip nachdenke. Als eine An-
leitung hierzu sei die vorgenannte Schrift, die bei den Theoretikern einer
Empfehlung wohl nicht bedarf, auch den Praktikern warm empfohlen.
Es gilt, den Widersprüchen unserer Strafbestimmungen, dem Schwanken
der Wissenschaft gegenüber das Strafrecht auf eine feste Grundlage zu
stellen. Zwar kann dem Führer der Reformbewegung von Liszt der Vor-
wurf der Systemlosigkeit nicht gemacht werden, aber die Erziehung des
Verbrechers, seine Abschreckung und die Sicherung der Gesellschaft vor
ihm als Aufgaben der Strafrechtspflege stehen nicht nur mit dem vom Ver-
fasser entwickelten strafrechtlichen Prinzip in Widerspruch, sondern die Er-
setzung unseres Strafrechts durch derartige Maassregeln der Verbrechens-
vorbeugung führt zur Auflösung des Strafrechts selbst. Denn ein Beamter,
der, sei es auch in den Formen des Strafprozesses, derartige Sicherungs-
maassregeln verhängt, spricht kein Recht: materiell verrichtet er polizei-
liche Thätigkeit.
Jenes Grundprinzip nun, auf dem das Strafrecht legislativ aufzubauen
und vom Richter die Strafzumessung zu treflen ist, ist die Vergeltung. Nicht
die Vergeltung, wie sie Kant als Rechtsgrund der Strafe entwickelt: