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Rückkehr und neuer Ausreisen findiger Museumsdirektoren, um das Rahmen-
werk ihrer feststehenden Systematik mit neuem zusammenhangslosen Detail
zu füllen. Inzwischen haben die Vorwürfe nichts von ihrem Ernst verloren,
die L. v. STEIN unserer fachlichen Arbeit vor mehr als 30 Jahren gemacht,
da er ihr die unbegreifliche Gleichgültigkeit gegenüber der Geschichte und
der reichen Eigenart des nationalen Rechts unserer nächsten westlichen Nach-
barn in Europa strenge vorhielt. In der That schreitet leider die Entfrem-
dung wie auf politischem so auch auf dem Boden litterarischer Verbindung
vor. Die nächsten Jahrzehnte pflichtmässigen Eindringens in das eigene neue
nationale Recht versprechen bei uns keinen Wandel nach jener Richtung.
Umsomehr halten wir es für unsere Aufgabe, die losen Fäden fest zu halten,
bis kräftigere Hände dereinst wieder ineinander greifen. Jenseits des Kanals
und des grossen Wassers wird inzwischen der engere Anschluss an die kon-
tinentele Arbeit erfolgreich in die Wege geleitet durch Einzelne, wie durch
wissenschaftliche Vereinigungen, die es an Anstrengungen nicht fehlen lassen,
Gegensätze auszugleichen und durch eine theilweise Annäherung an die
deutsch-methodische Arbeit das bisher im englischen Recht mehr der Form
als dem Wesen nach uns vielfach Unverständliche unserem Fassungsvermögen
näher zu rücken. Die seit zwei Jahren kräftiger als vorher in den Juristen-
kreisen Englands sich regende Forderung nach einer neuen Legal edu-
cation ist im Grunde die Anerkennung eines Bedürfnisses nach engerem An-
schluss an das kontinentale System in juristischer Lehre und Praxis.
Von gleichem, vernittelndem Geiste erfüllt ist das vorliegende Werk,
dessen erste Grundlinien vor mehr als 45 Jahren der Oeffentlichkeit zweier
Welten übergeben worden waren. Es kann als eminent führendes Hauptwerk
dieser Richtung angesehen werden; es schafft am traditionellen Massstab ge-
messen einen neuen systematischen Rahmen für die Darstellung des hoch-
wichtigen Rechtsstoffes des Eherechts, einer Materie, die im Gebiete des eng-
lisch-amerikanischen Rechts als Massiv den Mittelpunkt der Privatrechtslehre
einnimmt und auch solche Gebiete besetzt hält, welche in unserer deutschen
und auch in der französischen Stoffgliederung der Gruppe der rein vermögens-
rechtlichen zumal der sachenrechtlichen Rechtsvorschriften angehören. Die
Darstellung des New System of Legal Exposition und das Kapitel über „The
Importance of abandoning the reasonings of individual Judges and Text-
writers for those of the Law“ geben den Schlüssel zum neuen grossen
methodischen Versuch der Kasuistik den Durchbruch in der Richtung des
principiensuchenden und prinzipienverwerthenden Systems zu sichern. Die
‘Durchführung dieses Plans an der Hand eines überreichen Quellenmaterials
ist meisterhaft; fehlt uns zur Beurtheilung die Legitimation, wie sich von
selbst ergiebt, in Ansehung des Stofflichen, so gewährt uns der Kampf
um die methodische Behandlung die Erhebung, den jedes geistig gewaltige
Ringen um hohen Preis darbietet. Wer sich in unserer arbeitsreichen Zeit
mit einer Mustersendung, mit einem Paradigma aus der Sphäre fremd-