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innerhalb des bayerischen Staates?? überhaupt zur Geltung zu
bringen: deshalb kann ihm auch nicht verschränkt werden, be-
liebige Ausnahmen von diesem Satze zu machen. Dass hierdurch
ein Zustand herbeigeführt wird, den die Gesetzgebung des ge-
sammten übrigen Deutschlands als den kulturellen Zuständen
des Reiches widersprechend erachtet, hat nur politische, keine
juristische Bedeutung °°.
?2 Anders allerdings im Verhältniss zu den übrigen Bundesstaaten.
Hier gilt der Gothaer Vertrag vom 15. Juli 1851 8$ 1, 3, 4 (Preuss. G.-S.
1851 S. 711); vgl. No. III des Versailler Schlussprotokolls vom 23. Sept.
1870 und 8 7 des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. Nov. 1867, welch’ letztere
Bestimmung Bayern gegenüber noch jetzt geltendes Recht ist.
23 Dem Oulturzustande des Reiches sich voll anzupassen vermag Bayern
allerdings nur durch Aufgabe seines Reservatrechtes. Von allen Freunden
moderner Culturentwicklung würde es gewiss mit ungetheilter Freude be-
grüsst werden, wenn dem traurigen Rufe: „Kein Hüsung!* auch der letzte
Schlupfwinkel, den er im Reiche noch gefunden, gesperrt würde. Aber selbst
die Aufrechterhaltung des bayerischen Heimathsrechtes vorausgesetzt, wäre
wohl immer noch zu erwägen, ob für Bayern eine Nöthigung vorliegt, einer
ohne das Verehelichungszeugniss geschlossenen Ehe die heimathsrechtlichen
Wirkungen der Eheschliessung zu versagen, nachdem bereits die Novelle von
1892 das hierauf bezügliche System vollständig durchlöchert hat. Denn
innerhab Bayerns selbst dürfte durch die Ueberwachung der Standesbeamten
ausreichend dafür gesorgt werden können, dass Ehen ohne das vorgeschrie-
bene Zeugniss zu den seltensten Vorkommuissen gehören. Die Vorschrift
kehrt ihre praktische Spitze hauptsächlich gegen die Ehen, welche bayerische
Männer ausserhalb Bayerns mit Nichtbayerinnen schliessen. Aber gerade
hierin hat die Abschliessung Bayerns gegenüber den anderen Bundesstaaten
durch die Novelle von 1892 an Schärfe erheblich verloren. Die Wirkungen
der Novelle sind nämlich keineswegs bloss privatrechtliche, sondern berühren,
trotzdem das bayerische Gesetz der ohne das Zeugniss geschlossenen Ehe
die heimathsrechtlichen Wirkungen versagt, das bayerische Heimathsrecht
dennoch in ganz erheblicher Weise. Nach dem früheren System der Un-
gültigkeit der Ehe war nämlich die Folge einer solchen Eheschliessung die,
dass Frau und Kinder die bayerische Staatsangehörigkeit nicht erwarben,
welche das — auch in Bayern geltende — Bundesgesetz vom 1. Juni 1870
(83 2, 3, 5) nur als Folge der gültigen Eheschliessung eintreten lässt. Die
Unterstützung dieser Personen wurde deshalb durch die Ungültigkeitser-
klärung der Ehe von dem bayerischen Staate und den bayerischen Gemein-
den überhaupt abgewehrt. Dies ist jetzt nach Durchführung des Princips