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Dem gegenüber erklären die Gesetzgebungen des Deutschen
Reichs, Ungarns, Oesterreichs und der meisten Schweizer Kan-
tone ausdrücklich, dass für den Minderjährigen von seinen ge-
setzlichen Vertretern (Vater, Vormund u. s. w.) um Aufnahme
in den Staatsverband nachgesucht werden könne, obschon diese
Länder im Prinzip die Naturalisation nur dann ertheilen, wenn
der Ausländer nach dem Recht seiner Heimath dispositions-
fähig ist.
In einem uns berichteten Falle hatte der minderjährige
Sohn eines Franzosen mit Zustimmung seines Vaters die badische
Staatsangehörigkeit erworben. Die französische Regierung ver-
sagte dieser Naturalisation ihre Anerkennung und weigerte sich,
den Betreffenden aus den Militärlisten zu streichen, da sie ıhn
nach wie vor als ihren Unterthanen betrachtet *°,
In diesem Zusammenhang soll auch an den nunmehr, seit
der Einführung der Ehescheidung in Frankreich im Jahre 1884,
der geschichtlichen Vergangenheit angehörenden Fall der Fürstin
Bauffremont erinnert werden, der in den siebziger Jahren eine
Fülle von Streitschriften im Gefolge hatte. Die einzige Frage,
welche uns hier dabei interessirt, ist diejenige, dass die Fürstin,
von Geburt Belgierin, durch Heirath Französin und, von ihrem
Gemahl von Tisch und Bett geschieden, ohne dessen Zustimmung
durch Naturalisation die Staatsangehörigkeit in Sachsen-Alten-
burg erlangt hatte (dort liess sie die Trennung von Tisch und
Bett in eine Ehescheidung umwandeln und ging später in Berlin
angehörenden Staaten gilt, muss dahingestellt bleiben. Für Belgien lässt
sie sich u. E. aus der Fassung der Art. 3 u. 4 des Ges. vom 6. Aug. 1881
folgern. Art. 3: „la naturalisation ordinaire ... ne sera accordee qu’ä
ceux qui auront accompli leur vingt-et-uni&me annee. .“ und Art. 4:
„la naturalisation du pere assure & ses enfants mineurs la faculte de
Jouir du möme avantage, pourvu qu’ils declarent, dans l’annee de leur
majorite... que leur intention est de jouir du benefice de la presente
disposition.*
4 Vgl. Cann a. a. O. S. 81.