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wenn dieser die ihm obliegenden ehelichen Pflichten durch sein
schuldvolles Verhalten verletzt. Ein solcher Schutz kann aber
in wirksamer Weise nur durch das Recht der Scheidung gewährt
werden, da nach der Natur der Ehe als eines vorwiegend sitt-
lichen Verhältnisses die Erfüllung der ehelichen Pflichten und
die Wiederherstellung des gestörten Rechtszustandes durch äusse-
ren Zwang teils überhaupt nicht, teils nur in unvollkommener
Weise erreicht werden könnte. Anderseits folgt aus der Natur
der Ehe als eines Rechtsverhältnisses, dass keinem Ehegatten
die einseitige, willkürliche Lösung der Ehe gestattet werden darf,
und dass demjenigen Ehegatten das Recht der Scheidung zu ver-
sagen ist, welcher zur Begründung der Behauptung, dass die Ehe
eine zerrüttete sei, auf sein eigenes schuldhaftes Verhalten sich
berufen wollte.“ Die ausführlichere Mitteilung der vorstehenden
Begründung rechtfertigt sich im Hinblick auf die hierdurch er-
möglichte alsbaldige Beurteilung des Standpunktes, den das Gesetz-
buch hierbei einzunehmen für angemessen erachtet hat; dieser
Standpunkt ist ein zwischen der staatlich-bürgerlichen und kirch-
lich-dogmatischen Anschauung vermittelnder, der in der Kritik
auch als solcher bezeichnet wurde; die Charakterisierung der
Scheidung als einer Anomalie, die Betonung der grundsätzlichen
Unauflöslichkeit der Ehe an der Spitze der Betrachtung trägt
dem Dogma der katholischen Kirche, dass die Ehe als Sakrament
anzusehen ist und demgemäss nur durch den Tod gelöst wird,
in weitgehendem Masse Rechnung, während der Charakter der
Ehe als eines zwar besonders gearteten Rechtsverhältnisses, dessen
Regelung nach der modernen Auffassung lediglich Sache des
Staates und seiner Gesetzgebung ist, nicht in dem ihm gebüh-
renden Masse Anerkennung gefunden hat. Diese grundsätzliche
Auffassung, welche der das Eherecht des Landrechts beherrschen-
den nicht minder direkt entgegensteht, wie sie den Grundsätzen
widerspricht, welche die neueren Kodifikationen in dieser Materie
geleitet haben, musste natürlich dahin führen, dass der Ge-