Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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aus weiter Spielraum gewährt wurde, nicht der Gesetzgeber be- 
stimmte am letzten Ende die Thatbestände und Verfehlungen, 
wegen welcher die Trennung und Scheidung ausgesprochen wer- 
den kann, sondern der Richter und es war dieserhalb nicht un- 
angebracht, wenn man von einem richterlichen Scheidungsrecht 
sprach, das in der praktischen Rechtsübung zu einem Stände- 
und Klassenrecht werden würde; schon bisher ist der gesellschaft- 
lichen Stellung und den gesellschaftlichen Anschauungen sowie 
den Bildungsverhältnissen bei der Würdigung bestimmter Ver- 
fehlungen der Ehegatten in weitgehendem Masse Rechnung ge- 
tragen worden, es kann nicht ausbleiben, dass die Aufnahme der 
relativen Scheidungsgründe in das geltende Recht die Folge hat, 
dass dies in erheblich gesteigertem Masse geschieht und fast un- 
vermeidlich ist es, dass dasselbe Vorkommnis, wenn es sich um 
Angehörige des Arbeiterstandes handelt, die Trennung der Ehe 
nicht rechtfertigen, dagegen, falls Angehörige der obern und 
obersten Gesellschaftsschichten die Streitteile bilden, den Richter 
zum Aussprechen eines Trennungsurteils veranlassen wird. Um 
die Erschwerung, welche das Scheidungsrecht durch diese Bestim- 
mungen erfahren sollte, voll und ganz zu würdigen, muss man 
noch bedenken, dass die Scheidungsklage innerhalb einer sehr 
kurzen Frist — sechs Monate von der Kenntnis des Scheidungs- 
grundes an — verjährt, und dass das bürgerliche Gesetzbuch die 
Ehescheidung kraft landesherrlicher Machtvollkommenheit besei- 
tigt, welche bislang in verschiedenen Teilen des Reichs als Mittel 
diente, die Trennung einer Ehe zu ermöglichen, deren Scheidung 
auf gerichtlichem Wege sich Schwierigkeiten in den Weg stellten, 
endlich dass auch die Scheidung auf Grund gegenseitiger Ueber- 
einstimmung (consentement mutuel) nicht aufgenommen wurde. 
Die Basierung der Scheidungsgründe auf die Verschuldung be- 
dingte den Ausschluss derjenigen, welche auf Willkür oder Un- 
glück beruhen; durchmustert man die geltenden Zivilgesetzbücher 
und Ehegesetze in Deutschland, so ergibt sich, dass hauptsäch-
	        
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