Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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Person eine irrige und fehlerhafte war, dass sie mit Unrecht als 
die Grundlage der Entziehung der Verfügungsfähigkeit betrachtet 
wurde? Und doch benützen wir nach wie vor die psychiatrische 
Begutachtung in Zivil- und Strafsachen und doch müssen wir 
dieselbe nach wie vor benützen, weil uns ein besseres Mittel zur 
Feststellung des Geisteszustandes und der vorhandenen Anomalien 
der psychischen Beschaffenheit nicht zur Verfügung steht, weil 
wir uns mit relativer Gewissheit begnügen, wo uns die ab- 
solute versagt bleibt, weil wir den höchsten Grad der Wahr- 
scheinlichkeit an Stelle der Gewissheit zu setzen genötigt sind, 
um nicht in der Rechtspflege vielfach zu einem wirklichen Still- 
stand zu kommen. Die Scheidung einer Ehe ist aber nicht wich- 
tiger wie die Verurteilung eines Angeklagten und die Entmün- 
digung einer Person. Ausserdem ist aber zu betonen, dass ja 
die unheilbare Geisteskrankheit nicht schlechthin die Scheidungs- 
klage begründen soll, sondern nur unter gewissen Voraus- 
setzungen, deren Feststellung keiner übergrossen Schwierigkeit 
begegnet. Vollständig irrig ist es zu glauben, dass in den Rechts- 
gebieten, in welchen die Gesetzgebung Geisteskrankheit als 
Scheidungsgrund nicht anerkannt hat, ein Bedürfnis für diese 
Anerkennung nicht hervorgetreten sei; in den Rechtsgebieten 
des französischen Rechts besteht dasselbe unzweifelhaft und wenn 
in den gemeinrechtlichen Territorien auch die Bedürfnisfrage 
nicht mit gleicher Bestimmtheit zu bejahen sein dürfte, so ist 
dies lediglich darauf zurückzuführen, dass das daselbst bestehende 
landesherrliche Ehescheidungsrecht die Entwickelung eines drin- 
genden Bedürfnisses verhinderte. Wie überaus nachteilig die 
Folgen des strikten Scheidungsverbots sind, lehrt die Beobachtung 
der Lebensverhältnisse in genügendem Masse. Dieselben liegen 
nicht nur auf wirtschaftlich-ökonomischem Gebiete, sondern auch 
und zwar vielleicht mit am meisten auf sittlichem; es bilden sich 
infolge desselben Verhältnisse, die vom Standpunkte der Ethik 
nur sehr bedauert werden können; illegitime Verbindungen und
	        
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