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Konkubinate werden hierdurch begünstigt und gefördert und wie
überhaupt ein übermässig strenges Ehescheidungsrecht die Volks-
sittlichkeit in unerwünschter Weise beeinflusst, so lässt sich dies
auch von diesem Verbot fast ziffermässig nachweisen. Unter dem
Gesichtspunkte der Bedürfnisse der sozialen Verhältnisse lässt
sich die Notwendigkeit der Zulassung der Scheidung wegen
Geisteskrankheit überhaupt kaum in Zweifel ziehen; soll die Ge-
sellschaft nicht auf den Weg der Selbsthilfe gedrängt werden,
so kann der Staat nicht umhin, dieser Notwendigkeit durch seine
Gesetzgebung Rechnung zu tragen. Diese und andere Gründe
wurden gegen den Standpunkt des ersten Entwurfs in dieser
Frage geltend gemacht, sie fanden auch energische Vertretung
auf der Versammlung des zwanzigsten deutschen Juristentags zu
Strassburg i. E., der sich mit sehr grosser Mehrheit für die Auf-
nahme der unheilbaren Geisteskrankheit unter die Scheidungs-
gründe aussprach; im Laufe der Erörterung wurde auch von
Juristen, welche dem Rechtsgebiete des französischen Rechts
angehörten, zu Gunsten dieser Forderung unter Hinweis auf die
in diesem Gebiete gemachten Erfahrungen das Wort ergriffen
und hierdurch die oben angeführte Beweisführung der Motive
wesentlich eingeschränkt; auch das badische Oberlandesgericht
zu Karlsruhe hatte sich in seiner Begutachtung des ersten Ent-
wurfs für die Zulässigkeit der Ehescheidung wegen Geisteskrank-
heit ausgesprochen. Die mit der Aufstellung des zweiten Ent-
wurfs beauftragte Kommission legte diesen Einwendungen und
Ausstellungen den ihnen sachlich gebührenden Wert bei, das
Ergebnis ihrer diesbezüglichen Verhandlungen war die Aufnahme
der folgenden Bestimmung des $ 1464: „Ein Ehegatte kann auf
Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte in Geisteskrankheit
verfallen ist, die Krankheit während der Ehe mindestens drei Jahre
gedauert und einen solchen Grad erreicht hat, dass die geistige
Gemeinschaft zwischen den Ehegatten aufgehoben, auch jede
Aussicht auf Wiederherstellung derselben ausgeschlossen ist.“