lung sein, sondern der Rechtsgedanke selbst. Man wird ver-
suchen müssen, dem Gedankengange des Gesetzgebers nachzugehen,
denselben zu vertiefen und zu vervollständigen. Man wird prüfen,
an welche speziellen Momente der Gesetzgeber die Rechtsfolgen
hat knüpfen wollen, welche Punkte er als wesentlich, welche als
unwesentlich er in Betracht gezogen hat. Es ist dies die Auf-
gabe der juristischen Oonstruction und Systematik. Der Jurist
kann aber auch den Motiven der Rechtsgestaltung nachgehen und
das „Warum“ zu erforschen suchen, welches den Gesetzgeber ge-
leitet hat. Und wenn wir die bekannten Gesetzgebungen zusammen
betrachten und die gemeinsamen Grundgedanken und Motive
hervorheben, so gelangen wir zu einer allgemeinen Rechtslehre
oder Rechtsphilosophie, welche als Einführung in die Rechts-
wissenschaft oder als Basis eines einzelnen positiven Rechts zu
dienen vermag.
Worin liegt die Positivität des Rechts? Sie liegt m. E. in
dem massgebenden Willen des Gemeinwesens, welcher die Posi-
tivität verlangt. Wir können diesen massgebenden Willen auch
bezeichnen als den Willen des Gesetzgebers.
Denken wir an die Verhältnisse unentwickelter, primitiver
Gemeinwesen, wo das Staatsoberhaupt Gesetzgeber und Richter
in einer Person ist. In jedem Entscheide dieses obersten Organes
liegt die Production eines Rechtssatzes, der Wille auf Positivitäts-
erklärung dieses Rechtssatzes für den gegebenen Fall und die
Anwendung desselben. Die ersten beiden Thätigkeiten sind ge-
setzgeberischer Natur, die letztere Thätigkeit ist richterlicher
Art. Nehmen wir an, der Richter schütze den Besitzer einer
Sache wegen unvordenklicher Innehabung. Hier produzirt das
Organ den Rechtsgrundsatz der Verjährung und des Schutzes des
angegriffenen Besitzstandes durch die Behörden; es hat den mass-
gebenden Willen, diesen Rechtssatz als anwendbar zu erklären,
wenigstens für den vorliegenden Fall und fasst demgemäss. die
richterliche Entscheidung. Diese Erscheinung, dass in ein und