Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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lichen Gemeinschaft. Der Kläger hat die Wahl, ob er auf voll- 
ständige Scheidung oder nur auf Trennung von Tisch und Bett 
klagen will, das Gericht muss auf letztere erkennen, wenn der 
Beklagte damit einverstanden ist, welchem also stets die Macht 
zusteht, die eigentliche Scheidung herbeizuführen; ist einmal die 
gerichtliche Trennung ausgesprochen, so kann auch später ihre 
Umwandlung in Scheidung erfolgen. Im wesentlichen lelınt 
sich diese Regelung des künftigen Reichsrechts an die Bestim- 
mungen des französischen Rechts an und zwar in der Fassung des 
Code civil, so dass die durch Gesetz von 1884 bewirkten Aende- 
rungen keine Berücksichtigung gefunden haben. Lediglich die 
Erwägung, dass ohne die hierin enthaltenen Konzessionen die Ver- 
treter der kirchlich-dogmatischen Ansichten die Verabschiedung 
des ganzen Gesetzbuches nicht zu unterschätzender Gefährdung 
wäre ausgesetzt worden, bewog auch einen Teil der liberalen 
Mitglieder des Reichstags sich hiermit einverstanden zu erklären. 
Unzweifelhaft bezeichnet das Ehescheidungsrecht des bürger- 
lichen Gesetzbuchs für denjenigen, welcher den staatlich-bürger- 
lichen Charakter desselben mit Konsequenz vertritt, keinen Fort- 
schritt, sondern eher einen Rückschritt; es steht entschieden 
hinter dem Ehescheidungsrecht des preussischen Landrechts zu- 
rück und charakterisiert sich durch eine Mittelstellung zwischen 
den beiden gegensätzlichen Auffassungen und Ansichten, die hierbei 
von jeher ihren Einfluss auf die Gesetzgebung geltend zu machen 
suchten. Erwägt man im Anschluss hieran, dass die bürger- 
liche Eheschliessung zwar aufrecht erhalten ist, dass aber das 
in dem Personenstandgesetz enthaltene Prinzip ebenfalls eine Ab- 
schwächung erlitten hat, deren Bedeutung nicht nur eine theore- 
tische, sondern auch — hierüber werden uns die zu machenden 
Erfahrungen schon in ausreichendem Masse belehren — eine 
eminent praktische ist, so lässt sich kaum bestreiten, dass die 
Kodifikation der bürgerlichen Rechts für das Eherecht eine teil- 
weise Preisgebung des unter schweren Kämpfen zwischen Staat
	        
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