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und Kirche errungenen staatlich-bürgerlichen Charakters des-
selben bedeutet, dass die Reichsgesetzgebung es verabsäumt hat,
die ausschliessliche Befugnis der Staatsgewalt zur Ordnung der
Eheverhältnisse voll und ganz mit der erforderlichen Bestimmt-
heit zum Ausdruck zu bringen. Trotz Festhaltung des hierin
enthaltenen Tadels möchte Veranlassung vorhanden sein, das
Verhalten derjenigen, welche sich entschlossen, das Gesetzbuch
auch um den Preis dieser Abschwächung anzunehmen, als ein
solches zu bezeichnen, welches den Interessen des deutschen
Volks und zweifellos auch den Ansichten dessen überwiegender
Mehrheit durchaus entsprach. Nach Lage der parlamentarischen
Verhältnisse handelte es sich darum zwischen dem mutmasslichen
Scheitern des Gesetzbuchs und der Annahme desselben um den
Preis der gedachten Bestimmungen des Eherechts zu wählen;
wenn bei der Entscheidung zwischen diesen Alternativen die
national-politische Bedeutung des Gesetzbuchs einen grossen, ja
sogar den grössten und entscheidenden Einfluss ausübte, so
wird man dies nicht als unberechtigt bezeichnen können. Ein
Scheitern des Zustandekommens des Gesetzbuchs wäre gleich-
bedeutend gewesen mit dem Ausschluss der einheitlichen Ge-
staltung des bürgerlichen Rechts in Deutschland für absehbare
Zeiten; es ist aber begreiflich, dass diese Eventualität mit allen
Kräften vermieden werden musste und wer wollte es verdenken,
dass die Belastung mit dieser Verantwortlichkeit von der über-
grossen Mehrheit der zur Entscheidung über Annahme oder
Ablehnung des Gesetzbuchs berufenen Vertretern der Nation
nicht übernommen werden wollte? Wie in Ansehung anderer
Bestimmungen des Gesetzbuchs, namentlich der auf die Ge-
staltung des Vereinsrechts bezüglichen, so hat man auch hierbei
es nicht als angemessen erachtet, das Werk eines halben Men-
schenalters durch konsequentes Beharren auf Forderungen zu
gefährden, welche an sich zweifellos gerechtfertigt sind und
deren Verwirklichung in einem Gesetzbuch nicht fehlen sollte,