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zwei Klassen von Rechtsanwälten, nämlich solche, welche Staats-
beamte und gleichzeitig Angehörige eines freien Berufes sind
und solche, welchen die erstgedachte Qualität abgeht.
Dieselben Grundsätze, wie in den alten preussischen Pro-
vinzen gelten auch in den 1866 neu erworbenen Landesteilen.
In Hannover, wo die Notariatsordnung vom 18. September 1853
noch zu Recht besteht, sind ebenfalls ein Teil der Rechtsanwälte:
Notare. Das Gleiche gilt für dieübrigen neuen Provinzen,
wo teils das Notariat bereits früher bestanden, teils durch das
Gesetz vom 8. März 1880 neu eingeführt wurde.
Besondere Verhältnisse bestehen in dem französisch-recht-
lichen Gebiet der Rheinprovinz. Nach Art. 5 der rheinischen
Notariatsordnung von 1822 ist die Verbindung des Notariats
mit der Rechtsanwaltschaft unzulässig. Durch ein Gesetz vom
13. April 18838 wurde die Verbindung beider Stellungen im Be-
dürfnisfalle für zulässig erklärt. Zum Verständnis dieser Neue-
rung erscheint es geboten auf die Parteivertreterverhältnisse an
den Einzelgerichten der Rheinprovinz vor Einführung der Reichs-
justizgesetze etwas näher einzugehen. Es war nämlich in den
Rheinlanden Sitte, dass weder Anwälte noch Advokaten an den
Einzelgerichten auftraten, obgleich diese, Friedensgerichte ge-
nannt, nach der Verordnung vom 11. Mai 1843 in persönlichen
und Mobiliarklagen bis zu 100 Thaler erkannten. Nach fran-
zösischer Rechtsauffassung haben nämlich die Friedensgerichte
nicht den Charakter von ordentlichen Gerichten '°. Als solche
Diese ist so festgewurzelt, dass selbst die Gesetzentwürfe über die
Zuständigkeit der Friedensgerichte und eines neuen code de procedure civile,
welche der Justizminister 1894 der Kammer vorgelegt hatte und welche
die Kompetenz der Friedensgerichte in persönlichen und Mobiliarsachen auf
1500 Franks erhöhten und ihnen ausserdem noch verschiedene Sachen, die
bisher der Zuständigkeit der Tribunale unterstanden, übertragen haben,
noch nicht dazu gelangten, ihnen den Charakter von ordentlichen Gerichten
einzuräumen, vgl. dazu: v. WeEInricH in der Zeitschrift für deutschen Civil-
prozess Bd. XXI, S. 437 £.