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gelten wohl die Tribunale I. Instanz, welche unseren Land-
gerichten entsprechen. Infolgedessen lag die Parteivertretung
vor den Friedensgerichten in den Händen der Rechtskonsulenten,
in Frankreich agents d’affaires genannt. Als nun 1879 die
Amtsgerichte ins Leben traten, behielten die Rechtskonsulenten !*
die Parteivertretung an diesen Gerichten bei. Da aber durch
die freie Rechtsanwaltschaft die Zahl der Parteivertreter an den
Kollegialgerichten sich erhöhte, waren namentlich die jüngern
Anwälte genötigt, vor den Amtsgerichten aufzutreten. Dazu
kam, dass die Einzelgerichte den Charakter von ordentlichen
Gerichten erhielten und ihre Zuständigkeit erweitert wurde
S 23 G.V.G. Dies gab Anlass zu unerquicklichen Verhältnissen
und Reibungen zwischen Rechtsanwälten und Rechtskonsulenten.
Da aber in den kleinen Orten die Anwälte zu wenig verdienten,
es aber dennoch geboten erschien, die in der Regel nicht rechts-
verständigen und weniger vertrauenswürdigen Rechtskonsulenten
im Interesse der Sache zurückzudrängen, so musste den An-
wälten auf dem Lande eine bessere Einkommensquelle eröffnet
werden. Eine solche fand sich in der Verbindung mit dem
Notariat. Aber auch die Notare hatten an den kleinen Orten
zu wenig verdient, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die
Verbindung beider Berufe an solchen Plätzen erwünscht erschien.
Dazu kam, dass infolge des Gesetzes vom 20. Mai 1885, welches
18 Die Rechtskonsulentenbewegung, welche zur Gründung von Vereinen,
einer Zeitschrift und zu einer Eingabe an den Bundesrat im Jahre 1890
behufs Regulierung ihrer Verhältnisse führte, ging von rheinischen Rechts-
konsulenten aus. Vom Rhein verbreitete sich die Bewegung dann über
ganz Deutschland. Die Rechtskonsulenten streben eine dem englischen
Solicitor oder Attorney ähnliche Stellung an. Vgl. dazu v. WEINRIcH,
Reform der Rechtsanwaltschaft S. 36 u. 110, Note 1. Es ist durchaus falsch,
wenn die Rechtsanwälte, wie so manche andere für ihren Stand wichtige Frage,
auch diese Bewegung totschweigen. Eine Abgrenzung des Wirkungs-
kreises beider ist im Interesse der Anwaltschaft dringend ge-
boten. Archiv XI, 6.
Archiv f. öffentliches Recht. XI. 3. 97