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von dessen Gläubigern Urteile erwirkt und Hypothekeneinschrei-
bungen auf seine Güter genommen. Derselbe hat also eine
Verwalterthätigkeit ausgeübt, seine Stellung als R.A. aber be-
nutzt, um für andere Personen gegen seinen Schutzbefohlenen
Prozesse zu führen, wodurch das Arrangement seines Klienten
mit den Gläubigern erschwert wurde. Mit Recht wurde der
R.A. nach $ 356 R.St.G. wegen Prävarikation bestraft.
Diese zehn Sachen dürften genügen, um bezüglich der Frage,
ob Notariat und Vermögensverwaltungen mit der Rechtsanwalt-
schaft vereinbar seien, sich ein Urteil zu bilden. Ein ehrlicher
Anwalt wird seine prozessuale Gewalt nicht zum Schaden seiner
Machtgeber missbrauchen und aus der Vielseitigkeit seines Be-
rufs zum Nachteil seiner Klienten Nutzen ziehen, ebensowenig,
wie Mündel- und Nachlassgelder veruntreuen, wovon gleichfalls
verschiedene Urteile des Ehrengerichtshofs handeln und worüber
auch Strafurteile ergangen sind °!. Freilich treffen derartige
Verfehlungen den Einzelnen, sie fallen aber auf den ganzen
Stand zurück und erschweren ihm die Aufgabe, ein Gegen-
gewicht gegen die Macht des Beamtentums, insbesondere
der Staatsanwaltschaft, die solche Dinge zu verfolgen
hat, zu bilden (IV).
IV. Ergebnisse.
Wie aus Vorstehendem zu ersehen ist, erscheint eine Tren-
nung des Notariats von der Rechtsanwaltschaft dringend
geboten. Unzweifelhaft liegt sie im Interesse des Notariats,
Da beim mündlichen Verfahren die Kraft des Anwalts in vollem
51 Nach der Uebersicht der Jahresberichte* der Kammervorstände
Dezember 1895 haben innerhalb des Berichtsjahres 14 strafrechtliche Unter-
suchungen gegen Rechtsanwälte stattgefunden, darunter 9 wegen Untreue
und verwandten Vergehen. — Auch in allerjüngster Zeit hat man in
Zeitungen von gegen Anwälten anhängigen Strafsachen gelesen, welche die
Verübung von Eigentumsverbrechen zum Gegenstand haben.
Archiv f, öffentliches Recht. XII. 8. 28