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Das Interesse der Rechtsanwaltschaft und die ihr
ım Öffentlichen Leben zukommende Aufgabe fordert
gleichfalls die Lostrennung vom Notariat. Der Notar
ist Beamter, er ist als solcher von den Gerichten und Staats-
anwälten abhängig und wird in seiner Berufsthätigkeit von den
Behörden kontrolliert. Der Rechtsanwalt dagegen muss völlig
frei und unabhängig dastehen. Er hat ein Gegengewicht zu
bilden gegen die Macht des Beamtentums, mithin auch
gegen die Macht der Staatsanwaltschaft. Dies kann er
aber nicht, wenn er von ihr abhängt und seine Berufsthätigkeit
zu Verfehlungen Anlass bieten, die ein Einschreiten der Staats-
anwaltschaft begründen. Daraus ergibt sich, dass man den
Rechtsanwalt nicht nur möglichst unabhängig stellen, sondern
auch solche Thätigkeiten von ihm möglichst fernhalten
muss, welche Verlockungen zu solchen Handlungen in
sich schliessen. Da in Deutschland dies nicht geschieht,
so fehlt es auch an jedem Gegengewicht gegen die Macht der
Staatsanwaltschaft, was sich bereits auf eine sehr unangenehme
Weise fühlbar macht. Schon vor? Aurnus Acerıus 5%, von
dessen Ausführungen man so viel Aufhebens machte, habe ich
und zwar im wesentlichen mit denselben Gründen — Auuus
Acrrıus hat diesen Gedanken noch näher ausgeführt und speziell
in Bezug auf preussische Verhältnisse untersucht — den Nachweis
zu führen versucht, dass die Staatsanwaltschaft einen unheil-
vollen, die Rechtsprechung schwer schädigenden Einfluss auf die
Gerichte ausübt. Denselben führte ich, wie nach mir Auuvus
Aszrıus, der übrigens auch noch die einzelnen Geschäfte der
53 Zur Reform des Strafprocesses und des Verteidigerberufs in der
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. XIII (1893), S. 245;
ferner: Beamtete und nichtbeamtete Strafrichter in Frankreich und Deutsch-
land. Ebenda Bd. XV, 8. 549.
54 Der Einfluss der Staatsanwaltschaft in der preussischen Justiz.
Preussische Jahrbücher Bd. 81 (1895) S. 1 ff., auch als Separatabdruck er-
sehienen. Berlin 1896.