Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zwölfter Band. (12)

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von Rechtsfragen eine grössere Rolle spielt als in den unteren, 
kann sich dem Studium der Prozesse nicht mit der nötigen Musse 
hingeben; wenn er sich auch noch mit solchen Geschäften be- 
fassen soll. Besitzen wir trotzdem unter den Notaren, die 
gleichzeitig Rechtsanwälte an oberen Gerichten sind, ganz her- 
vorragende juristische Kapazitäten, so sind dies Ausnahmen, die 
für den Durchschnitt nichts beweisen. Bei der Rechts- 
anwaltschaft am Reichsgericht sind solche Geschäfte ausge- 
schlossen. Auch bei ihr beruht, wie bei der Advokatur am 
französischen Kassationshof, welcher sie entspricht, die privi- 
legierte Stellung auf der Enthaltsamkeit von Verwaltungs- 
geschäften. 
Mit der Rechtsanwaltschaft an den Kollegialgerich- 
ten erster Instanz ist das Notariat gleichfalls nicht ver- 
einbar. Denn diese duldet ebensowenig, wie die Rechtsanwalt- 
schaft an den oberen Gerichten eine Zersplitterung der Kräfte. 
Wie der Rechtsanwalt, der seinen schwierigen und aufreibenden 
Beruf ordentlich versehen will, sich um das Notariat nıcht küm- 
mern kann, so ist es umgekehrt dem Notar nicht möglich, sich 
mit den die ganze Kraft des Mannes absorbierenden Rechts- 
anwaltsgeschäften zu befassen. Dazu kommt, dass in der ersten 
Instanz der Prokurator mehr in den Vordergrund tritt (Archiv 
XII, 32), dessen Thätigkeit eine Menge Verlockungen zu unred- 
lichen Handlungen in sich schliesst und infolgedessen die Auf- 
gabe des Advokaten, das Recht gegen alle Anfechtungen zu 
schützen ohnehin schon erschwert wird. Diese Erschwerung 
wird aber noch erhöht, wenn der Rechtsanwalt, die vom No- 
tariat unzertrennlichen Vermögensregulierungen und Makler- 
geschäfte besorgen soll, die nicht minder solche Verlockungen 
involvieren. Das Gesagte gilt selbstverständlich auch für die 
Rechtsanwaltschaft bei den Amtsgerichten. Nichts- 
destoweniger kann in kleinen Orten die Verbindung mit dem 
Notariat durch die Verhältnisse bedingt sein. In solchen Fällen
	        
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