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wäre aber die anwaltschaftliche Thätigkeit des Notars auf das
Amtsgericht seines Wohnortes zu beschränken.
B. Die Errichtung eines Reichsnotariats und die der Rechts-
anwaltschaft infolgedessen zu gewährenden Entschädigungen.
I. Die Notwendigkeit eines Reichsnotariats.
Ist das Amt des Notars von der Rechtsanwaltschaft los-
gelöst, dann trıtt die weitere Frage an uns heran, wie soll das
Notariat ausgestattet werden? Ist dasselbe mit den Gerichten
zu verbinden oder ein Reichsnotariat zu schaffen? Gegenwärtig
konkurrieren in Preussen die Gerichte mit den Notaren. Nach
Einführung des bürgerlichen Gesetzbuches dürfte voraussichtlich
im ganzen Deutschen Reiche diese Konkurrenz eintreten.
Allein das Notariat ist mit den Gerichten ebenso-
wenig vereinbar, wie mit der Rechtsanwaltschaft°®.
Die Gerichte sind Organe des Staats, der Notar wird nur auf
privates Ansuchen thätig®®. Ferner verlangt das Prinzip der
Reinhaltung des Richteramtes, eines der wichtigsten Axiome
unseres Öffentlichen Rechts, ein selbständiges Notariat. Vom
Notar sind eine Menge Geschäfte zu besorgen, die ihrer Natur
nach nicht von den Gerichten erledigt werden können. Es sind
das die vom Notariat untrennbaren Vermögensregulierungen. So-
dann erheischt ein einheitliches Privatrecht auch ein einheitliches
Urkundenamt. Dem Partikularismus fehlt nach Einführung des
bürgerlichen Gesetzbuches auf dem Gebiete des Urkundenwesens
jede Berechtigung. Dass dieses dem Notariat, dem auch die
Zwangsversteigerungen und Zwangsverwaltungen übertragen wer-
6° Vgl. hierzu die interessanten Ausführungen von WEISLER in der
deutschen Notariatszeitung von 1890, S. 182 ff.; siehe auch Gutachten der
rheinischen Immediatkommission. Eurer a. a. O.
e Weser a. a. OÖ. 8. 191.