entschieden. Der Richter wird sich bei der Erforschung des
muthmasslichen Willens des Gesetzgebers gesagt haben, dass
letzterer sich bei Erlass einer Wechselordnung jedenfalls an die
hervorragendsten ausländischen Gesetzgebungen gehalten, dass er
sich der herrschenden Theorie und Praxis sicher angeschlossen
haben würde. Wenn ein neues Privatrechtsgesetz erlassen wird,
worin keine oder nicht genügende Bestimmungen transitorischer
Natur enthalten sind, so wird der Richter dennoch für bereits
eingetretene Verhältnisse, dem muthmasslichen Willen des Ge-
setzgebers gemäss, das alte Recht noch anwenden. Das Gleiche
ist der Fall in Bezug auf die Grundsätze des internationalen
Privatrechts. Die wenigsten Staaten haben diese Materien über-
haupt oder in genügender Weise geordnet und doch glaubt sich
der Richter im Einklang mit dem Gesetzgeber zu befinden, wenn
er diese internationalen Rechtsfragen nach dem Stande der Wissen-
schaft entscheidet.
Wo, wie in den modernen Staaten, das gesammte Rechts-
gebiet beinahe codifizirt ist, hat der Richter und Verwaltungs-
beamte sich an das erklärte Recht zu halten. So genau und klar
nun aber auch eine Gesetzgebung sein mag, so lässt sich doch in
jeder Rechtssprechung im Verlaufe der Zeit eine Veränderung
konstatiren. Der Richter wird bei der Auslegung des Rechts
bald ausdehnender bald zurückhaltender Weise vorgehen je nach
den kulturellen, wirthschaftlichen und sozialen Fortschritten. Der
Gesichtspunkt, den der Richter bewusst oder unbewusst einnimmt,
ist dabei die Beachtung des muthmasslichen Willens des Gesetz-
gebers. Es wird sich oft zeigen, dass eine Bestimmung den ver-
änderten Bedürfnissen nicht mehr genügt und den Verhältnissen
nicht mehr vollkommen gerecht wird. Hier wird der Richter an-
nehmen dürfen, dass der Wille des Gesetzgebers, wenn er sich
auszusprechen hätte, unter den gegebenen Verhältnissen weiter
oder weniger weit gehen würde; der Richter darf dann gestützt
auf den muthmasslichen Willen des Gesetzgebers durch eine