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Worin das eigentliche Wesen der Verwaltungsrechtspflege besteht, sagt es
nicht; es setzt den allgemeinen Begriff voraus, wie alle derartigen Gesetze,
Der Verfasser stellt mit vollem Rechte eine Entwicklung dieses Begriffes
an die Spitze seiner Ausführungen (Band I S, 575 ff). Danach träfe die Ver-
waltungsrechtspflege einfach zusammen mit dem Begriff der Rechtsprechung
in der Verwaltung: sie hat „zwischen den Parteien bestrittenes Recht fest-
zustellen“, und das geschieht „durch die Anwendung der objektiven Rechts-
satzung auf den zur Entscheidung stehenden Fall“. Mit der Ausbildung
des materiellen Verwaltungsrechts erscheint auch diese Verwaltungsrechts-
pflege als eine „gegenüber der Verwaltung sich abgrenzende Funktion‘.
Die Frage ist lediglich, wie diese von selbst sich ergebende Verwaltungs-
rechtspflege organisiert sein soll. Sie kann den gewöhnlichen Verwaltungs-
behörden überlassen bleiben, in deren Geschäftsbetrieb die entsprechenden
Verwaltungs-, Rechtsprechungs- und folglich -Rechtspflegefälle zum Vorschein
kommen. Aber „die Entwicklung geht dahin, die öffentliche Rechtsprechung
von der Verwaltung organisatorisch entweder vollständig oder doch in der
obersten Instanz zu trennen“. Die Bairische Gesetzgebung hat das in der Form
gethan, dass sie an die Spitze ein reines Gericht stellt und den unteren
Instanzen, welche zugleich Verwaltungsbehörden bleiben, die „sachliche Unab-
hängigkeit in ihrer Eigenschaft als Verwaltungsgerichte“ sichert. So Seypeı..
Kein Zweifel, das ist die Volksmeinung gewesen bei dem allge-
meinen Ruf nach Verwaltungsrechtspflege, das war auch die Meinung der
führenden Männer, namentlich des unvergesslichen BRATER in seinem Vor-
trag zum Entwurf von 1867 (Verbandl. der Abg.-Kammer 1866/68 Beil. IV
S. 169 ff). Ausserhalb Baierns ist diese Betonung der Organisationsfrage
noch schärfer zum Ausdruck gekommen durch Gnzıst, der den Schwer-
punkt gerade darin sieht, dass auch in Fragen der „Massbestimmung“,
also des freien Ermessens unabhängige Behörden die gerechte Handhabung
der öffentlichen Gewalt garantierten. Es handelt sich hier offenbar um
Wünsche und Forderungen, die nicht notwendig an die „Rechtsprechung“
in jenem oben bezeichneten eigentlichen Sinne des Wortes gebunden sind.
Doch bleiben wir bei dem Bairischen Gesetz von 1878.
Dem Verfasser ist es natürlich nicht entgangen, dass dieses die
Verwaltungsrechtspflege nicht in dem Umfange verwirklicht, wie dem
theoretischen Ausgangspunkte entspräche ($S. 588). Es gibt eine Auf-
zählung, durch welche jene sogenannten Rechtsprechungssachen, wie die
Motive sagen, „soweit nur immer thunlich dem Gebiete der Ver-
waltungsrechtspflege überwiesen werden“. Für manche Sachen, auf welche
der Begriff zuträfe, wird der neue Verwaltungsrechtsweg überhaupt nicht,
für manche (Art. 11 des Ges.) erst in einer Nachprüfungsinstanz nach vor-
gängiger rein administrativer Behandlung eröffnet.
Wie sind nun diese ausgeschlossenen Rechtsprechungssachen anzu-
sehen? Hier scheiden sich die Standpunkte.