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auch jetzt noch viel verwechselt. Nun kommt das Gesetz von 1878 und
richtet eine Verwaltungsrechtspflege ein und begründet so für die darin
begriffenen Rechtsprechungssachen die Möglichkeit rechtskraftfähiger Be-
schlüsse. Wie soll aber die Rechtskraft in die anderen Rechtsprechungs-
sachen kommen, die es davon ausschliesst? Das könnte nur der souveräne
Begriff bewirkt haben — und in dessen Macht haben wir kein so grosses
Vertrauen; SevYpEL übrigens für gewöhnlich auch nicht.
Unseres Erachtens liefert das Bairische Gesetz nur wieder den Be-
weis, wie sehr es für die juristische Betrachtungsweise notwendig ist, drei
Dinge wohl zu unterscheiden. Mögen sie in der Justiz und thatsächlich
sehr oft auch in der Verwaltung verbunden erscheinen und deshalb für die
ungeschulte öffentliche Meinung in ein Ganzes verschwimmen, das entbindet
uns nicht von unserer Aufgabe. Die drei Dinge sind:
Obrigkeitlicher Ausspruch dessen, was im Einzelfall in der Ver-
waltung Rechtens ist (Rechtsanwendung, Rechtsprechung); —
Handhabung der obrigkeitlichen Gewalt durch besonders dafür ein-
gerichtete, nach oben unabhängige Behörden (Gerichte oder Beschlussbe-
hörden); —
Erzeugung des obrigkeitlichen Ausspruches unter Mitwirkung der
Parteien nach Vorbild des Civil- und Strafprozesses (Verwaltungsrechtspflege).
Das letztere ordnet das Bairische Gesetz für gewisse Rechtsprechungs-
sachen an; aber nicht für alle.
Es weist zugleich diese seine Verwaltungsrechtspflegesachen an be-
sonders dazu eingerichtete Behörden; aber nicht alle, wenigstens nicht in
den untern Instanzen.
Verwaltungsrechtspflege ist also etwas, das unabhängig ist von der
Rechtsprechung und von der Ausübung durch besonders dazu eingerichtete
Behörden, etwas das seinen eigenen Wert für sich hat. Wollen wir über-
haupt einen festen Begriff mit dem Worte verbinden, so wird es nicht
schwer sein, im Anschluss an die fertigen Lehren des bürgerlichen Prozess-
rechtes seinen Inhalt genau zu bestimmen. Daraus wird sich des juristisch
Bedeutsamen genug ergeben. „Die Männer, welche der widerstrebenden Ver-
waltung in hartem Kampfe die Verwaltungsrechtspflege abrangen“, mögen
sich etwas weniger Bestimmtes, Allgemeineres darunter vorgestellt haben: sie
wollten nur besseren Rechtsschutz in der Verwaltung. Die Verwaltungsrechts-
pflege ist ja auch eine Form dafür, aber eben nicht die einzige. Wir Juristen
wenigstens haben das Recht und die Pflicht genauer zu unterscheiden. —
Das Bairischa Budgetrecht weicht bekanntlich ab von dem
Preussens und des Reichs, das so viel von sich reden gemacht hat. Die
Formulierung, welche es in der Verfassungsurkunde erhält, und die ver-
ständige Art, wie man sich im Laufe der Zeit über die Auslegung einigte,
verhinderten hier tiefer gehende politische Kämpfe und setzten auch über-
schwenglicher juristischer Theorie einen Damm entgegen.