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geschaffen. Der Rechtssatz, welcher die staatliche Einrichtung
veranlasst hat, liegt weit in der Vergangenheit, war aber doch
einmal da, wenn auch nur als Rechtsgedanke derjenigen, welche
die Einrichtung thatsächlich einführten. Bei Umwälzungen und
Aenderung der staatlichen Organisation durch erfolgreiche Revolu-
tionen, verwirklicht sich die staatsrechtliche Anschauung der Em-
pörer; mit dem Gelingen der Umwälzung ist der von den
Revolutionären aufgestellte Staatsrechtssatz durchgeführt. Mass-
gebender Wille im Staate war hier eben der Wille der Revolu-
tionäre; er war massgebend, weil sie den Erfolg und nachher die
Macht für sich hatten, diesem Willen im Staate Geltung zu
verschaffen.
Der Positivismus hält bei der Begriffsbestimmung des Rechts
daran fest, dass nur positives Recht Recht sei und dass dasselbe
entstehe durch das äussere Greschehniss der Sanctionirung. Vorher
sei kein Recht vorhanden, sondern bloss etwa Vernunftssätze,
sittliche Normen, auf practischer Erfahrung beruhende technische
Regeln, Einfälle, Ideen '®.
Der Begriff des Rechts ist wohl zunächst nur von theo-
retischer Bedeutung, wenn auch practische Folgerungen daraus
durchaus nicht undenkbar sind. Aber aus der Aufstellung eines
Rechtsbegrifies, dem das Merkmal der Positivität fehlt, dürfen wir
doch noch nicht den Schluss ziehen, dass solches nicht positive
Recht irgendwie Anspruch auf Berücksichtigung im Staate zu
machen habe. Insofern fehlt dem Streite darüber, ob es un-
positives Recht gebe oder nicht, wenigstens die Spitze, dass man
dem Verfechter der ersten Ansicht naturrechtliche Anschauungen
vorwerfen kann, indem er sofort zugiebt, dass dem unpositiven
Rechte die Verbindlichkeit zur Anwendung fehlt.
Die Annahme, dass nur Recht sei, was als solches im Staate
functionirt, verkennt aber auch vollkommen die Natur des Völker-
rechts. Ueber die Staaten als solche ist ein Recht denkbar
18 BERGBOHM a. a. O. 8. 545.